Eine tragische Liebe

Die lange Brücke, die über die Dahme zum Köpenicker Schloss führt, hat früher bei allen Leuten die "Seufzerbrücke" geheißen. Und das kam so:

Eine hübsche Prinzessin aus dem Geschlecht der Askanier wohnte einst in dem Schloss und ging eifrig auf die Jagd. Dabei gewann sie einen schmucken Jägersmann lieb, der sie auch öfter heimlich im Schloss besuchte. Um unentdeckt zu bleiben, nahm er seinen Rückweg durch den Fluss, um bis zur Brücke zu schwimmen. Dort stand er dann noch einmal still, und die Prinzessin winkte ihm mit ihrem weißen Schleier noch einen letzten Gruß von der Plattform zu.

Der Schleier aber wurde der Verräter der heimlichen Liebe. Eines Nachts gewahrte ein Bruder der Prinzessin das Winken - und nun wurde furchtbare Rache an den beiden Liebenden geübt. Ihre Brüder ließen die Schwester zur Strafe für die ihrem Haus angetane Schmach im Burgverließ am Flussufer lebendig einmauern, während der Jäger an einem Pfeiler der Brücke aufgehängt wurde.

Seit dieser Zeit hat man lange Zeit allnächtlich um die Geisterstunde ein banges Seufzen von der Brücke her vernommen, und über dem Wasser zwischen Schloss und Brücke hat man einen weißen Schleier schweben sehen. Erst nach langen hundert Jahren haben die beiden Liebenden ihre Ruhe gefunden, und man hat kein Stöhnen mehr gehört. Auch der Name "Seufzerbrücke" verschwand allmählich aus dem Munde der Leute.

Quelle: Siegfried Armin Neumann, Berlin, Sagen und Geschichten, Schwerin 2004, S. 77.