Der Jude Lippold.

Unter der Regierung Joachims II. 1535-71, spielte in Berlin ein Jude, Namens Lippold, eine sehr wichtige Rolle; er stand in hoher Gnade bei seinem Herrn, war sein Kammerdiener, Leibarzt, Münzmeister und Rathgeber, so daß er überall seine Hände im Spiet hatte. Da begab es sich, daß der Churfürst zu Köpenick, wo er zur Wolfsjagd gewesen, am 3. Januar des Jahres 1571 in der Nacht plötzlich starb, nachdem ihm Lippold zum Schlaftrunk ein Glas Malage gereicht hatte. Nun führte zwar der Rath Maienburg in seiner Leichenrede an, daß der Churfürst wahrscheinlich an einem Stickfluß gestorben und dieser aus einem offenen Schaden entstanden wäre, den er am linken Beine gehabt und der von einer vormals übel curirten Rose zurückgeblieben sey, allein die allgemeine Volkstimme behauptete, jener habe den Churfürsten vergiftet. Nun hatte aber einer der Wächter, die ihm ins Haus gesetzt waren, um ihn zu bewachen, während eine Untersuchung wegen von ihm getriebenen Unterschleifs gegen ihn im Gange war, gehört, wie seine eigene Frau in einem Streite mit ihm gesagt hatte: "wenn der Churfürst wüßte, was Du für ein böser Schelm bist, und was Du für Bubenstücke mit Deinem Zauberbuche kannst, so würdest Du schon längst kalt seyn"; diese Worte wurden dem Churfürsten hinterbracht und es ward nun sofort eine Untersuchung gegen ihn wegen getriebener Zauberei und wegen Vergiftung des verstorbenen Churfürsten angestellt. Wegen des gedachten Verbrechens ward Lippold ohne Weiteres auf die Folter gebracht und derselbe gestand unter den unmenschlichsten Martern Alles, was man von ihm wissen wollte. Das bewußte Zauberbuch ward ihm abgefordert und von einem dazu vereideten Juden ins Deutsche übersetzt, da es in hebräischer Sprache abgefaßt war. In demselben standen gar wunderliche Dinge, z.B. wie man ein, zwei und mehr Teufel in ein Glas bannen und es oben versiegeln könne, daß sie darin bleiben und im Nothfall auf alle Fragen antworten mußten. Eine andere Art Teufel ließ sich mit vier Haselstöcken und Haaren von einem gefangenen Diebe bannen. Nach der bei den Acten jenes Prozesses befindlichen Urgicht sollte er zu seinen Zaubereien allerlei Dinge gebraucht haben, z.B. einen Zahn von einem schwarzen Hunde, Menschenknochen, eine gekaufte Schwalbe, zerbrochene Nähnadeln in einem Federkiel eingeschlossen, neun Faden Zwirn in einer Nähnadel, einem Hahn durch die Zunge gezogen, zauberische Charactere auf Pergament geschrieben und dergl. Um den verstorbenen Churfürsten zu bezaubern und seine Gunst zu gewinnen, hatte er etwas von dessen Haa ren, Rock und Hosen genommen und solches vor dem kleinen Wendelstein unter der Schwelle zu Grimnitz eingegraben u.s.w. Später bekannte er auf der öfters mit ihm vorgenommenen Tortur noch, daß er den Churfürsten durch einen Trunk vergiftet und durch Zauberei eingenommen habe. Er wurde auf dieses Bekenntniß hin Mittwochs vor Fastnacht 1573 am Gerichtstage vor gehegter Bank vorgeführt, um sein Bekenntniß öffentlich abzulegen und sein Urtheil mit dem Zauberbuche am Halse gebunden anzuhören, wie er aber hier Alles wieder leugnete, so peinigte ihn der Scharfrichter auf dem Berliner Rathhause zu guter Letzt, bis ihm das Blut zum Halse herauslief, daraus bekannte er Alles, was der Richter wollte, und wiederholte seine vorigen Aussagen. Er wurde hierauf an verschiedenen Orten zehnmal mit glühenden Zangen gezwickt und auf dem Neuen Markte zu Berlin auf einem dazu erbauten Gerüste an Armen und Beinen mit vier Stößen gerädert, nachmals in vier Stücke zerhauen und das Eingeweide mit dem Zauberbuche verbrannt. Wie sogleich eine große Maus unter dem Gerüst hervorkam, die nicht mit verbrennen wollte, so haben solche viel fromme Leute für den Zauberteufel gehalten. Die Stücken des verurtheilten Lippold's wurden an vier besondern Galgen an den Landstraßen aufgehängt und der Kopf auf das Georgenthor gesteckt. Von seinem Vermögen bezahlte man die Gerichtskosten und seine Schulden, das übrige, was etwa noch 1000 Thaler betrug, erhielt seine Wittwe, die aber mit ihren neun unerzogenen Kindern aus dem Lande geschafft wurde.

Quelle: Grässe, Johann Georg Theodor, Sagenbuch des Preußischen Staates, Glogau, 1868/71, S. 191.