VON DER MARTERBURG

Zu Anfang des zehnten Jahrhunderts kamen die Hunnen, welche das gesammte Deutschland mit ihren Raubschaaren überschwemmt hatten, auch nach Bremen, steckten die Kirche in Brand und mißhandelten und tödteten die Priester vor dem Altare.

Da erfolgte ein starkes Gewitter; Viele von dem Gesindel wurden vom Blitz erschlagen, die Uebrigen entflohen voller Schrecken aus dem Dom, liefen in blinder Angst nach der Weser und fanden ihren Tod in den Wellen. Da zu jener Zeit die Tiefer und Wachtstraße noch nicht bebaut waren, so befand sich zwischen der Kirche und dem Fluß ein großer, freier Platz.

Schlimmer noch erging es einem andern Haufen, welcher über die Domsheide rannte, um das Osterthor zu erreichen und sich zur Stadt hinauszuretten. Denn er wurde von den Bürgern, welche, die Angst der Heiden sehend, sich schnell gesammelt hatten, zurückgetrieben und in die nächste Straße hineingedrängt. Glaubten aber die Räuber, sich in der engen Gasse gegen ihre Verfolger ohne große Anstrengung vertheidigen und ungefährdet nach der Weser zurückziehen zu können, so irrten sie sich gewaltig. Denn es öffneten sich plötzlich die Fenster über ihren Häuptern, und die Weiber gossen siedendes Wasser und Oel auf sie herab, so daß sie eines jämmerlichen, martervollen Todes sterben mußten.

Von dieser Begebenheit hat auch jene Straße ihren Namen erhalten; sie heißt noch bis auf den heutigen Tag Marterburg.


Quelle: Friedrich Wagenfeld, Bremen's Volkssagen, Bremen 1845, Erster Band, Nr. 12