Von Abschaffung der Feuerprobe.
(1257.)

Bis in die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts war zu Hamburg noch die Feuerprobe im Schwange, ein uraltes überall verbreitetes Gerichtsmittel, um die Wahrheit zu erkunden. Wer einer Missethat oder Falschheit stark verdächtig war, der mußte, um seine behauptete Unschuld zu beweisen, unter Anrufung Gottes, des Allwissenden und Allmächtigen, glühendes Eisen anfassen, oder auf rothgeglühtes Eisen treten, oder durch ein loderndes Feuer schreiten. Kam er dann unverletzt davon, so nahm man an, daß Gott selbst die Wahrheit seiner Behauptung durch dies Wunder erwiesen habe, und sprach ihn frei. Es gab bekanntlich auch andere ähnliche Gottesgerichte, z. B. die Wasserprobe und den Zweikampf. Uebrigens konnte gemeiniglich ein als ehrenhaft bekannter Mann sich schon durch seinen Eid vom Verdachte reinigen, und nur dem übelberüchtigten, dessen Eid keinen Glauben verdiente, wurde die gefährliche Feuerprobe zuerkannt.

Schon längst waren von den Päpsten diese Gottesgerichte, namentlich die Feuerproben, verboten, aber da das Volk nun einmal an ihre Untrüglichkeit glaubte, so waren sie schwer abzuschaffen. Papst Heinrich III. (um 1216) und Kaiser Friedrich II. (um 1221) erließen scharfe Edicte dawider, und rotteten sie damit auch an vielen Orten aus. Aber in Hamburg blieben sie dennoch im Gebrauch, weil manche Dompröbste ihre Beibehaltung für nützlich erachteten.

Im Jahre 1257 aber that der Rath zu Hamburg ein Einsehen, und schickte einige Gesandte nach Viterbo in Italien an den Papst Alexander IV, dem diese vorstellten, daß doch endlich die gefährliche Probe des glühenden Eisens gänzlich abgeschafft werden. Der Papst nahm die Hamburgischen Legaten freundlich auf, versprach Gewährung, und gab ihnen ein Breve vom 1. Juni 1257, darin er erklärte, daß er dem Rathe, der Bürger-Gemeine und dem Volke zu Hamburg, seinen geliebten Söhnen, in Allem zu willfahren gesonnen sei, was der gesunden Vernunft nicht zuwider laufe, und deshalb erfülle er gern ihre Bitte, und cassire hiermit gänzlich die Feuerprobe, so daß kein Mensch gezwungen werden solle, sich ihr zu unterwerfen, und wer dawider handle, der solle dem Zorn des allmächtigen Gottes und der heiligen Apostel Petri und Pauli verfallen sein.

Damit kehrten die Hamburger Herren zurück, und da fortan kein Angeklagter Lust bezeigte, freiwillig die Feuerprobe zu bestehen, so ist sie seitdem in Hamburg nicht mehr vorgekommen.

Quelle: Otto Beneke, Hamburgische Geschichten und Sagen, Hamburg 1886. Nr. 28