Des Hamburgischen Welthandels Begründung; Graf Adolf III.
und Kaiser Friedrich I.
(1164-1203.)
Graf Adolf III. war noch ein Kind, als sein Vater, der zweite Adolf, starb. Als er zu seinen mündigen Jahren gekommen war, offenbarte er sich seiner guten Vorfahren würdiger Sohn. Auch ihm verdankt Hamburg große Dinge. Denn er erkannte früh, daß die Stadt einmal groß und mächtig werden könne und müsse durch Welthandel und Schifffahrt. Deswegen opferte er sein Castell, die Neue Burg, für Hamburgs künftiges Wohl. Unter der Aufsicht des Bürgermeisters Wirad ließ er die Burg gänzlich schleifen, und die Plätze daselbst mit großen Handelshäusern und Speichern bebauen, eine Kapelle, dem heiligen Nicolaus, dem Patron der Schiffer, geweiht, stiften, und den angrenzenden Elbarm zu einem Hafen einrichten. So entstand das St. Nicolai-Kirchspiel, die damalige Neustadt, mit einem eigenen Rathhause.

Zu diesen Zeiten gab es noch mehr Kriegsunruhe als zuvor; und Graf Adolf, der sich als ein tapferer Fürst und Ritter dabei bewährte, hat mehr Unglück als Glück erfahren, und mußte vor Heinrich's des Löwen Uebermacht von Land und Leuten weichen, bis dessen Stern sank (1180). Dann erwirkte Adolf bei dem Kaiser Friedrich Rothbart ein wichtiges Privilegium für seine gute Stadt Hamburg, welches von jeher hochtheuer und werth ist gehalten worden und annoch auf dem Stadt-Archive aufbewahrt wird. In diesem Gnadenbriefe, datirt Neuenburg an der Donau, den 7. Mai 1189, wird den Hamburgischen Bürgern und ihren Schiffen, Waaren und Leuten für ewige Zeiten die Befreiung von allem Zoll, Ungeld und anderen Belästigungen auf der Elbe, von ihrer Stadt bis ans Meer, und umgekehrt, zugesichert (weshalb auch die Hamburger vom Stader Zoll, so lange er bestand, befreit gewesen sind); ferner wurden ihnen wichtige Fischerei-Rechte, Verkehrs-Erleichterun-gen, Befugnisse zum Geldwechsel und andere, damals bedeutsame Vergünstigungen verliehen. Als besonders wichtig erscheint noch das Recht, daß auf zwei Meilen Entfernung rings um Hamburg kein festes Schloß gebaut werden durfte, und daß die Hamburger fortan zur landesherrlichen Heeresfolge nicht mehr verpflichtet sein und zu keinem Kriegszuge
gezwungen werden sollten. Graf Adolf bestätigte seinerseits als Landesherr den ganzen Inhalt dieses Privilegs (wie seine Nachfolger es später ebenfalls gethan haben), und unter den diese Urkunde unterschreibenden Zeugen befinden sich außer einigen Holsteinischen Edeln auch fünf Hamburgische Rathsherren: Fromold, Esich, Wirad, Standard und sein Bruder Siegfried.
Man erkennt leicht, daß diese Rechte den hauptsächlichen Zweck hatten, Hamburgs Handel und Schifffahrt von hemmenden Lasten zu befreien, und zu dem großartigen Aufschwünge des Weltverkehrs zu erheben. Graf Adolf III. wie Kaiser Friedrich I. sind also hoch zu preisen, daß sie Hamburgs Beruf und Zukunft mit klarem Auge so zeitig und so richtig erkannt und begründet haben. Und deshalb auch ist Kaiser Friedrich in Hamburg stets hoch verehrt gewesen, und in Betrachtung seiner Verdienste um die Stadt hat unser Senat i. J. 1839, in Gemeinschaft mit dem zu Lübeck, das ihm eben so viel verdankt, des großen Kaisers Bild von der Meisterhand Karl Friedrich Lessing's malen und im Kaisersaal des Römers zu Frankfurt a. M. aufhängen lassen.

Die Hamburger erwiesen sich für so viele Wohlthaten ihres Grafen auch erkenntlich, und als er in demselben Jahre 1189 den Kaiser auf dem Kriegszuge ins gelobte Land begleitete, gaben die Hamburger willig so viel Silber und Goldes her, als nöthig war, um ihn und sein ganzes Gefolge so herrlich auszurüsten, daß er an Pracht und Tüchtigkeit der Waffen und Rosse keinem der übrigen 67 Fürsten, die den Kaiser begleiteten, nachgestanden hat. Dabei gelobten die Hamburger ihm, seine Lande gegen die feindlichen Einfälle der Wenden mit Gut und Blut zu beschützen, so lange er abwesend sei. Er mußte aber schon 1191 aus Palästina heimkehren, als er erfuhr, wie's daheim aussah. Der Kaiser aber fugte zu seinem Wappenbilde, dem Nesselblatt (das sein Geschlecht wegen des Nesselberges an der Weser führte, auf dem die Stammburg Schauenburg liegt), noch drei Nägel, weil der Graf im gelobten Lande drei Nägel des Kreuzes Christi erkämpft haben soll. Zwar eroberte er nun seine Länder wieder, aber in dem darauf folgenden Kriege, den die übermächtigen Dänen unter dem Könige Kanut und seinem Bruder Waldemar (1200) gegen ihn führten, erging es ihm unglücklich; die Feinde besetzten sein Land wie Hamburg. Wohl gelang es ihm, diese Stadt, mit Hülfe der ihm ergebenen Bürger, noch einmal wieder zu gewinnen; aber der Versuch, sich hier zu halten, schlug fehl. Denn am Weihnachtsabend 1201, als bei hartem Frost Elbe wie Alster gefroren waren, rückte Waldemar's zahlreiches Heer von allen Seiten über das Eis, und erstürmte solchergestalt die von dem Grafen und seinen Reisigen, wie von den Bürgern zwar heldenmüthig, aber unglücklich vertheidigte Stadt, wobei Adolf selbst in Gefangenschaft gerieth. Waldemar entließ ihn auf Ritterwort, sich wieder zu stellen, wenn es ihm nicht gelänge, die von seinen Freunden besetzte Stadt Lauenburg zur Uebergabe zu bewegen. Es gelang ihm nicht, und, treu seinem Worte, stellte er sich wieder zur Haft, worauf er nach Dänemark abgeführt wurde. Endlich 1203, als Waldemar König geworden war, ergab sich Lauenburg unter der Bedingung, daß Graf Adolf freigelassen werde, was auch geschah, nachdem er eidlich auf seine Holsteinischen Lande hatte verzichten und geloben müssen, nicht wieder gegen Dänemark die Waffen zu tragen. Er begab sich dann auf seinen Stammsitz Schauenburg, von wo aus er niemals wieder nach Hamburg oder Holstein gekommen, sondern bis an sein Lebensende, seinem Gelöbniß treu, verblieben ist.

Und in dankbarer Erinnerung an die großen Wohlthaten, die Adolf III. unserer Stadt erwiesen, hat man i. J. 1882 auf der Trostbrücke, welche die bischöfliche Altstadt mit der dem Weltverkehr bestimmten, damaligen Neustadt verbindet, dem Schöpfer derselben, dem tapfern, weisen, großherzigen Adolf III. ein Standbild errichtet, welches daselbst dem Anschar-Denkmal gegenüber, seinen schicklichen Platz hat. Beide Kunstwerke von Engelbert Peiffer meisterhaft ausgeführt.


Quelle: Otto Beneke, Hamburgische Geschichten und Sagen, Hamburg 1886. Nr. 19