Isern Hinrik.
(1317-1382.)
Isern Hinrik war
ein Graf von Schauenburg-Holstein, Gerhard des Großen Sohn, ein
ritterlicher Mann von ungemeiner Kraft und Festigkeit, dessen Kriegsmuth
ihn schon in jungen Jahren, als er gegen die Dänen und unter dem
schwedischen Könige gegen die Finnen zu Felde zog, berühmt gemacht
hatte; wegen welcher Eigenschaften er auch den Namen Heinrich der Eiserne
oder Plattdeutsch "Isern Hinrik" davon trug.
Diesen Beinamen soll
er zuerst bekommen haben, als er in Kriegsdiensten von England in der
Schlacht bei Cressy unter ändern Heldenthaten auch den König
von Frankreich (nach Ändern den von Böhmen) gefangen nahm, indem
er mit zwei Rittern in den feindlichen Haufen sprengte, mit der Linken
den König bei dessen goldenen Halsketten faßte und herauszog,
während er mit der Rechten die Trabanten niederhieb.
Wegen solcher That
wurde er einer der obersten Kriegshauptleute und mit Ehren überhäuft,
als er nach England heimkehrte. Darüber bekam er viele Neider und
Feinde unter den Engländern, die ihm Hinterhalte stellten, aus denen
er sich aber immer durch unerschrockene Kühnheit glücklich heraus
zu kämpfen verstand.
Des Königs Ohr war zwar gegen die Verläumdungen taub, die Isern
Hinrik's Neider wider ihn ausstreueten. Aber die Königin gewannen
sie damit, daß sie ihr vorredeten, er sei Keiner vom hohen Adel,
und nur ein Deutscher Abentheurer. Sie ließ darum, in des Königs
Abwesenheit, eine Probe zu, von der die Neider hofften, daß sie
ihn verderben solle. Es hieß nämlich, daß ein Löwe
keinen acht und recht geborenen Fürsten und Herrn verletze; deshalb
ließen sie heimlich in der Nacht den großen Löwen des
Königs aus dem Zwinger, daß er im königlichen Burghofe
frei umhergehe.
Als nun Isern Hinrik
des Morgens in der Dämmerung, wie er's zu thun pflegte, aufstand,
um frische Luft zu schöpfen, und nur im Mantel ohne Wehr und Waffen
in den Hof trat, da sprang ihn der Löwe ingrimmig an und brüllte
fürchterlich. Isern Hinrik aber, unerschrocken wie immer, blickte
ihn fest an, hob die Faust etwas gegen ihn und sprach mit ernster Stimme:
"Bis stille, bis stille, du frevelicher Leu!" Und alsbald legte
sich der Löwe still und stumm demüthig zu des Grafen Füßen,
der ihn dann in seinen Zwinger gehen hieß. Darüber entsetzten
sich seine Widersacher, die heimlich auf den Verlauf der Sache Acht gegeben
hatten, und von nun an hatte der Graf Frieden vor ihnen.
Andere sagen: er
wäre einst, als er mit vielen vornehmen Engländern vor dem Gitter
gestanden, freiwillig zu dem Löwen in den Käfig gegangen, sprechend:
"Ist Jemand unter Euch von so gutem Adel als ich, der thue mir's
nach", hätte dann dem Löwen sein Kränzlein, das er
des Hoffestes wegen getragen, aufs Mähnenhaupt gesetzt, sei dann
langsam und ungefährdet wieder herausgetreten, und hätte gesagt:
"Wer von Euch meines Adels ist, der hole mir mein Kränzlein
wieder." Aber keiner hätte sich's getraut.
Isern Hinrik aber
mochte nicht länger bei den Engländern bleiben, und der König,
so lieb er ihn hatte, mußte ihn ziehen lassen. Er hat dem Papste
Urban als Feldherr gedient und auch in Italien viele herrliche Thaten
verrichtet, und ist der Römischen Hinterlist so tapfer entgegengetreten
wie der Englischen, und endlich, der Plackereien müde, nach Holstein
heimgezogen, wo er sein Land regierte mit kräftiger starker Hand.
Die Schweden trugen ihm nachmals die Königskrone an, er aber hat
sie nicht gemocht.
Die Städter,
nämlich die Lübecker und Hamburger, hat er anfangs nicht gut
leiden können. Denn ihm war's verhaßt, daß diese Mauerhocker
und Krämer, wie er sie nannte, zu so großer Macht und Herrschaft
gekommen waren, weshalb er auch den räuberischen Edelleuten seines
Landes durch die Finger sah, wenn sie die Hansischen Wagen plünderten.
Die Städter griffen, um sich zu vertheidigen, auch wohl hie und da
ein Bischen zu weit, und als sie, um auf die Räuber zu fahnden, 200
ihrer Reiter in die Stadt Segeberg legten, da kam Isern Hinrik über
Nacht hinzu, nahm die 200 Reiter und alle Hansischen Bürger, die
er traf, gefangen, bis sie sich löseten, woraus eine langwierige
Fehde entstand, die endlich von Kaisers und Reichs wegen vermittelt wurde.
Inzwischen hatte
Isern Hinrik der Städter Tapferkeit und ihre Rechte besser kennen
gelernt, darum versprach er sie zu schützen gegen die Straßenräuber
und Buschklepper, wie gegen seine beutelustige Ritterschaft; es wurde
deshalb zu Lübeck ein Vertrag geschlossen, daran auch, außer
Isern Hinrik, die Grafen Johann, Clas und Gerd theilnahmen. Und 1347 vereinigten
sich dieselben nochmals mit dem Hamburger Rathe zur Vertilgung und Ausrottung
der Raubgesellen, namentlich derer an der Alster. In Folge dessen eroberten
und schleiften die Hamburger sogleich das feste Haus zu Wohldorp, dessen
schöne Ländereien und Forsten, später friedlich erworben,
ihnen noch jetzt gehören; die Burg Linau nahmen und brachen sie ebenso.
Stegen aber belagerten sie und die Grafen lange vergeblich, bis der Herr
Burgherr, Johann von Hummelsbüttel, gegen 5000 Mark und freien Abzug
ins Ausland, die Veste übergab, die dann zerstört wurde.
Seitdem lebte Isern
Hinrik mit den Hamburgern in gutem Vernehmen, bis auf die Zwistigkeiten
wegen der vergebens von ihm verlangten Huldigung; er kam zuweilen hierher
und wurde hoch geehrt, denn seine herrlichen Kriegsthaten waren bekannt
und das Volk hielt ihn werth, und erzählte sich viel von seinen Ritterfahrten
und Heldenstücken.
Und als später
vor dem Dammthore, welches dazumal hart an der Alster, unfern der Reesendammsbrücke
gelegen hat, ein neuer Zwingthurm zur Befestigung der Außenwerke
gebaut wurde, da nannte man diesen Thurm, dem starken Grafen zu Ehren,
Isern Hinrik.
Er blieb stehen, als Stadt und Festung erweitert wurde und diente zuletzt,
ehe er 1728 abgebrochen wurde, einigen Reitendienern zur Wohnung.
Von diesem Grafen
schreibt sich die noch heutigen Tages hie und da übliche Redensart
her, mit der man einen festen, starken, unerschrockenen Mann bezeichnet:
"He iss'n rechten isern Hinrik."
Quelle: Otto Beneke, Hamburgische Geschichten
und Sagen, Hamburg 1886. Nr. 38