Des Teufels Stiefeln.
(Um 1470.)

Vor vielen Jahrhunderten kam aus dem Pommerlande ein Schustergesell hierher, der hieß Hans Radegast. Weil gerade das Schusteramt viele Gesellen verloren hatte, die vom Morgensprachs-Herrn Tumults halber zum Wandern verurtheilt waren, so fand Hans Radegast in der Herberge gleich Arbeit, ohne daß man ihn um Geburtsbrief und Wanderbuch befragte. Weil er nun ein geschickter anstelliger Gesell war, so behielt ihn der Meister gern und dachte nur bei sich: der Hans Radegast sieht zwar aus als ein Wende und ist aus Pommerellen eingewandert, wo auf einen Deutschen 10 Wenden kommen, aber da er seine Sache versteht und sich stille hält, so will ich grade sein lassen, und ein Auge zudrücken; war meiner Großmutter zweiter Mann doch auch ein Wende, und wenn sie's im Amte gewußt hätten, wäre ich nimmer Meister und Bürger geworden.

Hans Radegast aber wußte sehr wohl, daß er ein Wende war, und hätt's nicht bergen können, weil er kein brieflich Zeugniß hatte, als acht, recht und Deutsch geboren, und man sah's seinem Gesicht auch gleich an, daß seine Mutter eine Wendische Hexe konnte gewesen sein. So lange er unter den Pommerellen gewesen war, hatte er dess' kein Arg. Als er aber nach Lübeck und von da nach Hamburg kam, und unter den Deutschen lebte, da ward ihm sein Unglück inne, dieweil er so viel vernahm von der Wenden Bosheit und Grausamkeit, und wie sie vordem das Christenthum und in Hamburg mit Brennen, Morden, Rauben und Plündern gewüthtet, und keinen Stein auf dem ändern gelassen hatten, also daß ein ingrimmiger Haß entstanden war gegen alles Wendische Wesen, der noch Jahrhunderte lang forterbte von Vater auf Sohn und Enkel, also, daß in Deutschen Städten ein Wende war wie ein Ausgestoßener und Verfehmter. Und als er beichten ging zum Pfaffen, konnte er's nicht lassen, denn sein Geheimnis drückte ihn, als wenn's eitel Sünde und Blutschuld wäre, und offenbarte ihm, wenn er's gewiß Niemanden weiter sagen wolle, so müsse er's bekennen: er wäre Wendischer Nation. Und der Pfaffe hat sich gekreuzigt und lange besonnen, dann hat er gesagt, ein Verbrechen war's zwar eigentlich nicht, das Wendenthum, aber schön war's auch nicht, und wovon er ihn absolviren sollte, das wüßte er nicht, er möchte nur hingehen und sehen, wie er sich fromm und ehrlich durch die Welt schlüge, und still sein Unglück tragen.

Nun wäre das wohl so gegangen, aber Hans Radegast warf sein Auge auf eine feine Jungfer, die wollte er heirathen, und zuvor Meister und Bürger dieser Stadt werden. Das Geld dazu hatte er sich schon erspart. Altflicker oder Schuhknecht hätte er leichter werden können, aber dann hätte ihn die feine Jungfer nicht genommen, die trug einen hohen Sinn und wollte nur einen Meister haben, daran sie auch merken konnte, ob er ein Wende oder nicht. Wie er sich aber bei dem Morgensprachs-Herrn meldet und thut seinen Spruch und eschet das Amt, da treten die Alterleute auf und fragen nach dem Geburtsbrief, und sagen's ihm auf den Kopf zu, daß er ein Wende sei, der in kein zunftmäßig Amt kommen und das Bürgerrecht nimmer gewinnen könne. Und da half kein Bitten und Flehen, die Alterleute wollten's nicht, und die Amtsrolle und Artikel zeigten's, daß sie im Rechte waren. Und Hans Radegast kam in Zorn und Ingrimm deshalb, und vermaß sich, er wäre kein Wende, und der beste Schuster in Hamburg, und verstünde mehr als alle Meister, darum müßte er ins Amt und Bürgerrecht; und vermaß sich so sehr, daß er als Meisterstück Alles zu machen verhieß, was die Alterleute von ihm fordern würden. Darauf dann die Alterleute, um sein zu spotten und sein zudringlich Begehren gänzlich abzuweisen, ihm gesagt: falls er über Nacht bis Sonnenaufgang ein makellos Paar Reiterstiefeln ohne irgend eine Nath machen könne, so solle er ins Amt kommen und Meister werden, folglich auch ihrethalb zum Bürgerrecht gelangen. Würd's aber hernach entdeckt, daß er doch ein Wende oder Slave, so würde es ihm gehen wie dem Hans Swinegel 1466, dem sein fälschlich erworbener Bürgerbrief wieder abgenommen worden, und sein Name im Bürgerbuch durchstrichen, mit dem Beifügen »deletus est, quia Slavus«.

Und da er nun gegen Mitternacht still und allein in der Kammer saß und bei seinem unmöglichen Unterfangen schier verzweifelte, da haben ihn Ehrsucht und Weltlust geblendet, daß er den Teufel rief, ihm beizustehen, und das Werk, dessen er allein nicht mächtig, zu vollbringen. Und der Teufel, der allemal erscheint, wenn ein junges Blut ihn nur an die Wand malt, kommt angeflogen mit Sausen und Brausen durchs Fenster hinein, gehörnt mit Pferdefüßen, ein scheußlich Ungethüm, davor ein Anderer als Hans Radegast sich billig hätte entsetzt; aber das Wendenblut furchtet solchen Satansspuck nicht, und willigt ein, ihm seine unsterbliche Seele zu verschreiben, und auch fortan den Namen Gottes nicht mehr zu nennen, da er ihm sonst alsogleich verfallen sein soll. Und als das Pactum in Richtigkeit, setzet sich der Teufel flugs oben auf den Tisch und gebraucht Pfriemen und Pechdraht, als wäre er niemals was anderes als ein Schuster gewesen, und ehe der Hahn den Tag ankräht, ist das Stiefelpaar fertig, von braunem Leder, und ist nirgendwo eine Nath zu sehen, worauf der Teufel wieder mit Saus und Braus verschwindet.

Und als ändern Tags die Alterleute kamen und die Stiefel besahen und keine Nath daran befanden, entsetzten sie sich und mußten ihr Wort lösen, und Hans Radegast als Meister erkennen. Und ob er nun auch ins Amt kommen ist, so hat's ihm doch nicht geholfen, denn als er vor E. E. Rathe den Bürgereid leisten will, und vergisset sein Pactum, und spricht die Worte aus: »Also my Gott helpe und syn billiges Word« *), da fällt plötzlich ein Donner und Wetter vom Himmel mit Dampf und Rauch, und Hans Radegast ist strax nach Nennung des Namens Gottes zu Boden geschlagen und nimmer wieder aufgestanden.

Und als die Herren des Raths sich von ihrer Bestürzung erholet, und durch ihre Diener den todten Mann aufheben lassen, da hat er das Gesicht im Nacken gehabt und die Zunge schwarz zum Halse herausgereckt, also, daß Jeder mit Entsetzen gesehen, daß den Wendischen Mann der Teufel geholet.

Und die Alterleute des Schuster-Amtes haben billig Bedenken getragen, mit den Stiefeln sich zu befassen, so klärlich ein Meisterstück des leidigen Satanas, und haben sie in den Dom getragen, allwo unter den geistlichen Herren ein geschickter Teufelsbanner, der hat die Stiefel exorcisiret und mit Weihwasser besprenget, und darnach in der Domkirche an einem Pfeiler hoch aufhängen lassen, damit männiglich, absonderlich Wendisches Volk, daran ein schreckhaft Beispiel nehmen und sich warnen lassen möge vor Hochmuth, Ruhmgier und Weltlust, so zu teuflischen Bündnissen führen, dabei der Höllendrache allemal der alleinige Gewinner. Item, daran zu erkennen, wie daß der allmächtige Gott nicht zuläßt, daß Jemand durch Lug, Trug und Teufelslist in eine ehrbare Zunft komme und dieser frommen Stadt Bürgerrechte gewinne.

Und die Stiefeln des Teufels hingen am Pfeiler der Domkirche noch manche Jahrhunderte bis zu Anfang dieses 19., und alte Leute werden's bestätigen, die sie gesehen haben. Und hernach, als der Dom zerstört wurde, kamen sie ins Artillerie-Zeughaus im Bauhofe. Da hat ein bekannter Autor sie besehen und will nicht gefunden haben, daß sie ohne Nath genäht seien. Das aber mag daher rühren, daß selbiger Autor an den Teufel und des Teufels Werke nicht mehr glaubte; denn so wie der Gläubige sieht, was er glaubt, so kann auch der Ungläubige nicht erkennen, was er doch nicht glauben will.

*) "So mir Gott helfe und sein heiliges Wort"

Quelle: Otto Beneke, Hamburgische Geschichten und Sagen, Hamburg 1886. Nr. 59