DAS SCHLOSZ IM BERGE
Mündlich

In einem Dorf an der Bergstrasze wohnte ein Seifen- und Lichtermacher, der hatte einen Buben, welchen er jeden Morgen mit einem Pack seiner Waaren ausschickte dieselbe zu verkaufen. Eines Tages ging der Knabe auf den Berg, da wo der Erdspalt ist, denn er hatte seine Waare fast alle und zu guten Preisen verkauft und wollte noch einmal sehen, ob keine Erdbeeren droben reif seien. Da trat ein seltsam gekleideter Mann zu ihm und frag ihn, ob er noch Seife und Kerzen habe. Der Knabe zeigte den kleinen Rest. "Gut, so folge mir," sprach der Mann, ging einige fünfzig Schritte zur Seite des Berges herab und trat durch eine Thüre, welche der Knabe nie gesehen, in eine Reihe hoher und schöner Zimmer. Im dritten nahm der Mann ihm die Waare ab, holte ihm das Geld dafür und sprach: "Nun komme jeden Tag hier ins Schlosz und bringe mir alle deine Waare, ich kaufe sie dir um guten Preis ab, sage jedoch nichts davon, dasz du sie hier ablieferst." Das versprach der Knabe und er hielt Wort. Als aber sein Herr merkte dasz er stets und immer so gut und so bald die Waare los werde, und die Leute in der Stadt doch klagten, der Knabe lasse sich gar nicht mehr sehen, wie oft und gerne sie auch von ihm kauften, da forschte er ihn aus, wohin er mit den Waaren gehe. "Laszt das auf sich beruhen," sprach der Knabe, "ich darf's nicht sagen." Dadurch machte er aber die Neugier des Herrn noch reger und der ruhte nicht und schmeichelte und drohte so lang, bis der Knabe es gestand. Als er aber am folgenden Morgen mit seiner Waare zu dem Berge kam, da war die Thüre nicht mehr zu sehen und er hat sie seitdem nie wieder finden können.


Quelle: Hessische Sagen, J. W. Wolf, Leipzig 1853, Nr. 6, S. 5