63. Die sieben Predigerssöhne.

Früher war doch gar manches anders wie heute. Da beherrschte ein Abt in Rom die ganze Welt, und jeder Mensch mußte ihm gehorchen. Das wollten sich aber auf die Dauer die Preußen nicht gefallen lassen, und es kam zu einem gewaltigen Kampfe mit dem Abt, in dem schließlich die Preußen siegten. Das waren die Freiheitskriege, und die Folge davon ist, daß jetzt der römische Abt nur noch die Hälfte der Welt besitzt. Damals lebte auch der große Räuber Rinaldo, der aber nur reichen Leuten etwas gethan hat; die Armen schirmte und schützte er.

In diesen Zeiten wohnte in preußischen Landen ein frommer Priester. Der hatte sieben Söhne, welche wie ihr Vater auch Prediger werden wollten. Weil aber der preußische König Soldaten brauchte, so mußten sie mit in den Freiheitskrieg. Hier wurden sie alle sieben von den Feinden gefangen genommen und in einen festen Turm gesperrt.

Die Gefangenschaft kam ihnen hart an, und sie beschlossen deshalb zu fliehen. Mit großer Mühe wurde ein Loch durch die dicke Mauer geschlagen, dann befahlen sie sich Gott und wanderten ihrer Heimat zu. Doch die Feinde waren ihnen auf die Spur gekommen, und ehe sie es sich versahen, waren sie von allen Seiten von Soldaten umringt.

In ihrer Todesangst flüchteten die sieben Brüder in eine Wolfshöhle und flehten den lieben Gott an, er möge sie doch erretten. Sie hätten sich ja von ihrer ersten Jugend an allein seinem Dienste gewidmet und wären auch gewiß schon alle Prediger geworden, wäre nicht der lange Krieg dazwischen gekommen. Da sandte ihnen Gott in ihrer Not einen herrlichen Engel in blendend weißem Gewände. Der sprach zu ihnen: "Eure Zuversicht und eure Treue soll euch belohnt werden, aber anders, als ihr es wohl gedacht habt." Damit ergriff er die sieben Brüder, trug sie zum Himmel und setzte sie an das Sternenzelt. Dort sind sie noch bis auf den heutigen Tag als sieben schöne, hellglänzende Sterne zu sehen, die man gewöhnlich das Siebengestirn oder die sieben Brüder nennt.


Mündlich aus Zabelsdorf, Kreis Randow.

Volkssagen aus Pommern und Rügen, Ulrich Jahn, Berlin 1889, Nr. 63