5. Der gefangene König Jaromar.

Nachdem die Schweden durch Hülfe des Star Kater die Dänen besiegt hatten, nahm ihr König Ringo das Land Dänemark sammt der Insel Möne ein, und zwang auch die Wenden, weil sie seinen Feinden beigestanden, daß sie ihm mußten unterthänig sein und Tribut geben. Dieses blieb also, bis nach etlichen Jahren Sievert König in Dänemark wurde. Gegen den setzten sich die Wenden, und weigerten sich, ferner Tribut zu geben. Allein der König Sievert zog mit vielem Volke gegen sie, und bezwang sie wieder. Die Wenden hatten aber dazumalen keinen Herrn, sondern nur etliche Hauptleute. Sie bedachten daher, sie hätten ihre Niederlage nur darum erlitten, daß sie kein Haupt oder Herrn gehabt, und erwählten darauf zu ihrem Könige Ismarus, einen Verwandten der Königin Wißna. Mit dem zogen sie wieder gegen Sievert, und trafen ihn in Fünen, und schlugen ihn sammt seinem Volke, daß er nach Jütland flüchtete, wo er viel Volks von Neuem zusammen brachte. Aber Ismarus zog ihm nach nach Jütland, und schlug ihn noch einmal, und fing auch seinen Sohn Jaromar und seine beiden Töchter Ida und Bammeltrud. Er nahm darauf ganz Jütland und Dänemark ein, und besetzte es mit Amtleuten und genugsamem Kriegsvolk, so daß er es immer in Gehorsam hielte. Die Prinzessin Ida verkaufte er den Deutschen, und die Bammeltrud den Norwegern. Den Prinzen Jaromar und noch einen gefangenen Dänen, Namens Gunno, warf er ins Gefängniß.

Die Dänen waren darauf viele Jahre den Wenden unterthan, und gaben ihnen Tribut. Dieß nahm aber auf folgende Weise ein trauriges Ende.

Als nämlich Ismarus, der Wenden König, meinte, daß er die Dänen nun für immer unter seiner Gewalt und Gehorsam hätte, dauerte ihn zuletzt das Elend und schwere Gefängniß des Prinzen Jaromar und seines Gesellen Gunno. Er entließ sie daher ihrer Haft, und that sie in ein Vorwerk, wo sie mußten arbeiten helfen. Da hat sich besonders Jaromar so fleißig erzeigt, daß Jedermann Mitleid mit seinem Unglücke hatte, und ihn der König zuletzt zum Meier über das Vorwerk setzte. Auch diesem Amte stand er so wohl vor, daß der König ihn sowohl um seines Verstandes und Fleißes, als auch um seiner Geduld willen lieb gewonnen, ihn zu sich an seinen Hof genommen und ihn zu seinem vertrautesten Rathe gemacht hat, mit Vertröstung, ihm mit der Zeit noch zu etwas Besserem zu verhelfen, so er sich ferner ehrlich und treu erzeigen würde.

Des Königs Gemahlin Woislafa hatte zwar immer einen argen Wahn gegen ihn, und rieth dem Könige, ihm nicht allzugroßes Vertrauen zu geben; der König aber besorgte sich gar nicht vor ihm und befahl ihm auch die wichtigsten Sachen seines Königreiches an.

Dadurch kam Jaromar mit den Dänen, die oft zu Hofe mußten, wieder in Kundschaft, und erfuhr ihr Gemüth, daß sie gern die Absicht hätten, von der Herrschaft der Wenden sich zu befreien. Also hielt er heimliches Verständniß mit ihnen, und sprach mit ihnen ab, wie sie sich und ihn befreien wollten. Als nun zu einer Zeit der König mit seiner Königin und seinen Kindern auf der Jagd war, da bestellte er heimlich die Schiffe der Dänen, und sie überfielen in der Nacht den König und seine Gemahlin, pfählten das Gemach zu, worin sie mit ihren Kindern schliefen, und zündeten es von außen an, daß dieselbigen sämmtlich darin verbrannten. Darauf erhob sich ganz Dänemark gegen die Wenden, und sie erschlugen alle Wenden, die im Lande waren. Damit war Jaromar, den sie zu ihrem König machten, noch nicht zufrieden; er zog herüber zu den Wenden und schlug sie und brachte sie unter sich. Er setzte ihnen Amtleute und Vögte, und hielt sie sehr strenge in Zaum, so daß sie nicht einmal trinken durften. Die Wenden empörten sich zwar, und suchten die fremde Herrschaft von sich abzuschütteln. Aber Jaromar bezwang sie bald, und ließ ihrer Obersten etliche enthaupten und etliche aufhängen, also daß sie ihm ganz unterthan sein mußten.

»Also soll man einen Feind, den man hat, als Feind halten, und ihm nicht zuviel trauen. Denn hätte der König Ismarus das gethan, so wäre ihm und den Wenden so großes Unglück nicht widerfahren, und er sammt seinem Gemahl und Kindern hätten noch lange gelebt und wären Herren gewesen; nun aber sind sie todt, und die armen Wenden sind jämmerlich umgebracht, und die anderen müssen den Dänen dienen.«

Th. Kantzow, Pomerania, I. S. 19-24.

Die Volkssagen von Pommern und Rügen, J. D. H. Temme, Berlin 1840, Nr. 5