Die Eerdmanntjes

Unter der Erde wohnten vorzeiten die Eerdmanntjes. Im Plytenberg bei Leer hausten sie mit ihrem König. In den Nächten, wenn das Mondsilber vom Himmel fiel, sah man oft auf dem Hammrich ihre Wäsche bleichen. Und die Schiffer hörten in strengen Wintern manchmal an stillen Abenden ein geheimnisvolles Knacken im Eise; dann wussten sie, dass die Eerdmanntjes Schlittschuh liefen. Einmal, an einem sternlosen Abend, glaubte der Fährmann von Leerort ein Rufen zu hören. Er ging der Stimme nach und sah am Ufer ein graues Männlein, das fortwährend rief: „fahr over! Fahr over!“. Der Fährmann brummte zwar, dass er für einen so kleinen Gast fahren sollte, aber er schickte sich doch an, das Boot loszumachen. Doch das Eerdmanntje bat ihn, die große Pünte zu nehmen, denn es seinen viele, die mitwollten. Der Fährmann tat ihm den Willen, und das Manntje stieg ein, aber sonst war niemand zu sehen. Als der Fährmann vom Ufer abstoßen wollte, sagte es: „Wacht, noch neet!“ Und es wurde ein Wispern vernehmbar, als wenn der wind durch das Schilf strich, aber zu sehen war nichts. Nur die Pünte sank tiefer und tiefer, als ob sie Lasten trüge, und endlich sagte das Eerdmanntje: „Fahr over!“ Als der Fährmann am anderen Ufer anlegte, fragte das Manntje, war er dafür haben müsste. „Föhr de Kopp een Stüber“, sagte er. Da bekam er einen ganzen Topf voll, wohl an die tausend Stüber, und langsam hob sich die Pünte wieder. Das leise Wispern aber schwoll an zu einem dumpfen Klagen: „Uns König is doot! Uns König is doot! Nu mutten wi all to `t Land herut!” und verlor sich dann in der dunklen Weite.
Die Eerdmanntjes vom Plytenberg aber blieben seitdem verschwunden.

Quelle: Wilhelmine Siefkes: Ostfriesische Sagen, Leer 1987.
Von Etta Bengen für SAGEN.at zur Verfügung gestellt.