Die Zwergenmühle am Dullbornbach
Es war vor langer Zeit, da stand dort, wo die Dullbornquelle (bei Gledeberg)
liegt, eine alte Wassermühle am Bach. Das von der Quelle übermäßig
gespendete Wasser kam dem schweren eichenen Wasserrad sehr recht. Fast
ohne Pause lief das Räderwerk der Mühle, und nachts fiel aus
den engen Fenstern des Mahlhauses milder Lichtschein auf den von hohen
Bäumen umstandenen Mühlenweg. Schon von weitem hörte der
Wandersmann das Ächzen des Räderwerkes. Tag und Nacht wurde
hier emsig und ohne Ruhe gearbeitet. Diese Müllerei wurde von Zwergen
betrieben, und es war ungeschriebenes Gesetz, daß kein Mensch die
Mühle betreten durfte. Bauern, die Mahlkorn brachten, mußten
warten, bis es ihnen am Mühleneingang abgenommen wurde. Dort wurde
ihnen auch wieder ihr Mehl übergeben. Die Zwerge hüteten die
Geheimnisse ihrer Mahlkunst.
Aber, wie überall, schmeckten auch hier "verbotene Früchte"
besonders gut. Als es glaubte, unbeobachtet zu sein, schlich sich eines
Tages ein Bäuerlein, daß seiner Neugierde nicht widerstehen
konnte, in die Mühle. Die fleißigen Zwerge bemerkten bald den
Eindringling, verließen die Mühle und wohnen seither im Innern
des Oliver Berges.
Nun hatten die Bauern die Sorge um einen neuen Müller. Sie fanden
bald einen, der seine Dienste anbot. Aber der Fluch der bösen Tat
hatte mit dem Abzug der Zwerge noch kein Ende. Alle Bauern hatten mit
dem neuen Müller ihre liebe Not. Er errichtete Stauungen im Bach
und verärgerte dadurch seine Nachbarn, denen er dadurch die bestellten
Fluren überschwemmte. Auch die Zwerge geisterten noch in der Gegend
herum und boten manche böse Überraschung durch allerlei Schabernack.
Auch ihr einstiges Arbeitsfeld, die Mühle, wurde Ziel ihrer Streiche.
In abendlicher Stunde, wenn der graue Nebelschleier aus dem Moor heraufzog,
nahmen die Kobolde die Mühle besonders gern aufs Korn. Wie lange
Zeit in alten Bauernhäusern, so gab es auch in der Innenwand der
Mühle ein sogenanntes Ölfenster. Wenn nun dort das Öllämpchen
zu nächtlicher Stunde brannte, schnitten die Zwerge dem Müller
von der entgegensetzten Seite des Fensterchens Fratzen und Grimassen oder
pusteten ihm die Lampe vor der Nase aus. Sie spukten auch in den Mahlgängen
und zogen die Glocke, bevor das aufgeschüttete Korn durchgelaufen
war. Der Ärger, den der Müller durch die rätselhaften Zwerge
hatte, mag der Hauptgrund seiner Unnachgiebigkeit gegenüber den Bauern
gewesen sein. Als alles gute Zureden seinen Zweck verfehlte, wandten sich
die Bauersleute in ihrer Not an den Ritter nach Bodenteich und baten um
seine Hilfe. Als die Abordnung dort vorstellig wurde, meinte er: "Was
stört es mich, tut was euch beliebt. Schloot de Möll in Klump!
[Schlagt die Mühle entzwei!]" Das ließen sich die biederen
Bauern nicht zweimal sagen und machten sich eiligst auf den Rückweg.
Als sie weg waren, überlegte man am Hofe noch einmal die Sache. Ein
Ratgeber des Ritters wandte sich an diesen mit den Worten: "Euer
Gnaden haben geruht zu befehlen, die Mühle zu zerschlagen. Ich befürchte,
Euer Gnaden, die Bauern, welche gar einfache Leute sind, könnten
es wörtlich nehmen, und ein Unglück würde geschehen!"
Der Ritter sah dies ein und sandte einen Boten nach, der die Nachricht
überbringen mußte, die Bauern sollten zunächst abwarten.
Es würde bald ein Rechtsspruch erfolgen. Leider kam die Mitteilung
zu spät. In ihrer Rache hatten die Gledeberger Bauern die Mühle
bereits dem Erdboden gleich gemacht, und der Müller mußte aus
der Gegend fliehen. Das versetzte den Ritter in Zorn, und er nahm die
Bauern für viele Jahre in Buße. In der Umgebung ist aber noch
heute der Ausspruch geläufig: "Schloot de Möll in Klump!"
Quelle: Hannelore Hilmer: Die schönsten
Sagen und Geschichten des Hannoverschen Wendlandes. Lüchow 1996,
S.115-117.
Die Sagen der Lüneburger Heide wurden
von Etta
Bengen gesammelt und für SAGEN.at
zur Verfügung gestellt.
© der Zusammenstellung: Etta
Bengen