DER SCHÄFERSTEIN

An einem Heidehügel zwischen den Dörfern Lübbow und Teplingen, in der Richtung auf Teplingen, nach Westen zu, fällt ein kolossaler Granitblock schon auf weite Entfernung ins Auge, der der Schäferstein genannt wird. Der Stein erhebt sich über dem Boden etwas über einen Meter und hat, obgleich augenscheinlich bedeutende Stücke davon abgesprengt, noch einen Umfang von fast siebzehn Metern. Es ist ein grobkörniger Granit, in dessen vielfachen Vertiefungen sich im Laufe der Zeit eine üppige Vegetation von Moospflanzen gebildet hat. Von diesem Schäferstein erzählt die Sage folgendes:

In der Zeit, da das Christentum im Wendlande noch nicht allgemein Wurzel gefaßt hatte, lebte unter den Wenden ein Schäfer, der hier auf den Heidhügeln seine Herde weidete. Dieser gewann ein Sachsenmädchen, das von der Hoyersburg kam, lieb und erweckte bei ihr bald Gegenliebe. Doch das blonde Sachsenmädchen war eine Christin, der Schäfer aber noch Heide. Nun lebte in einem Eichenwalde am rechten Jeetzelufer ein alter Einsiedler, der nur Gott lebte und auf die Ausbreitung seines Glaubens hinwirkte. Auch Marie war gekommen, um sich Rat bei ihm zu holen. Er sollte ihren Geliebten zur Lehre des Erlösers führen. Es glückte dem Klausner auch, das Herz des Wenden zu besiegen und ihn am großen Stein auf der Heide zu taufen und der christlichen Lehre zu weihen. Doch der Christengott verhängte eine harte Prüfung über den Schäfer. Ein Stück seiner Herde nach dem andern erkrankte und fiel. Der Schäfer sah in dem Unglück nur die strafende Hand seiner alten Gottheiten, die seinen Abfall rächen wollten. Die Folge war, daß er wieder zu seinem alten Glauben zurückkehrte. Da zog sich das Mädchen von ihm zurück. Infolgedessen verwandelte sich die Verehrung des Schäfers für den Einsiedler in Haß, da er diesen nur als den Urheber seines Unglücks ansah, und er erschlug ihn eines Abends. Angsterfüllt eilt er von dannen. Doch unterwegs ereilt ihn ein Gewitter, als der Mörder gerade oben bei dem großen Steine angekommen war, fuhr der Blitz zur Erde, der Stein hob sich, und der Schäfer fiel in den Abgrund, über den sich dann der Stein wieder senkte. Ein Einwohner aus Lübbow hatte den Schäfer nach dem Steine laufen und ihn dort versinken sehen und dann das Vorkommnis den Leuten erzählt; von diesem Ereignisse erhielt der Stein den Namen Schäferstein.

Quelle: Will-Erich Peuckert: Niedersächsische Sagen VI. Göttingen 1983, S. 483-484.
Die Sagen der Lüneburger Heide wurden von
Etta Bengen gesammelt und für SAGEN.at zur Verfügung gestellt.
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