Vier Geistergeschichten.

Mündlich in Sievershausen bei Einbeck.

In Sievershausen war früher ein großes altes Haus, jetzt ist es abgerißen und neu gebaut; darin gieng ein Advokat oder so etwas um. Dieser hatte bei seinen Lebzeiten vieles verbrochen; deshalb war ihm nun im Grabe keine Ruhe vergönnt. Er erschien aber in jenem Hause als graues Männchen und lärmte und rumorte, daß sich niemand vor ihm bergen konnte; auch wollte es lange gar nicht gelingen, ihn zu bannen. Endlich ließ man einen "Genevitus", d.h. einen katholischen Pfarrer, kommen; dieser beschwor ihn glücklich auf eine Kammer, und den Schlüßel zu der Kammer legten sie mit den anderen in die Kommode. Einige Zeit nachher kam eine neue Köchin ins Haus, die von der Anwesenheit des Geistes, welche man möglichst zu verheimlichen suchte, noch nichts wußte; da sie die Schlüßel und die Zimmer noch nicht ordentlich kannte, nahm sie den gefährlichen Schlüßel und öffnete die Geisterkammer, und es huschte etwas an ihr vorbei wie ein Schatten. Als sie hierauf wieder in die Küche gieng, stand ein graues Männchen am Feuerherd und lachte und grinste. Entsetzt eilte sie zu ihrer Herrschaft und erzählte den Vorfall; da erfuhr sie denn alles. Der Geist aber durchwanderte das ganze Haus, Zimmer um Zimmer; zuletzt setzte er sich in die Butze unter der Treppe, und wenn jemand die Treppe hinauf gieng, so klopfte er jedesmal und rief "hu, hu, bah!" Das gefiel den Leuten nicht im allergeringsten, und sie schickten nach einem Beschwörer. Bevor dieser kam, war er bei einem Schuster gewesen und hatte da etwas Pech ans Zeug bekommen; als er nun den Geist bannen wollte, sah derselbe aus der Butze, schnitt allerhand häßliche Grimassen, lachte und grinste und rief: "Pechdieb! Pechdieb!" legte sich in seine Butze und klopfte und trommelte drauf los wie nichts Guts. Auf die ferneren Bannsprüche achtete er nicht weiter; deshalb ließ man einen zweiten Beschwörer kommen. Dieser war durch ein Kornfeld gegangen, und da hatte sich ihm ein Roggenhalm in die eine Schuhschnalle gehängt; als er nun den Geist bannen wollte, sah derselbe aus der Butze, machte es gerade wie beim erstenmal und rief: "Strohdieb! Strohdieb!" und der Beschwörer konnte ihm nichts anhaben. Jetzt ließ man einen dritten kommen, und weil der ohne allen Tadel war, so gelang es ihm, den Ruhestörer in eine große, große Flasche zu bannen; diese trug man auf einen Wagen und ließ vier Pferde vorspannen, um die Flasche sammt dem Geiste in einen Holzteich zu bringen. Der Beschwörer hatte dem Fuhrmann noch gesagt, er solle sich ja nicht umsehen; als sie aber in die Nähe des Forsthauses kamen, wurde hinter ihm ein gefährlicher Lärm; da sah er sich um, und plötzlich war der Geist aus der Flasche fort und saß in seiner Butze und trommelte seine besten Stückchen. Er wurde zum zweitenmal in die Flasche gebannt, und auch zum zweitenmal wußte er's zu machen, daß der Fuhrmann sich umsah und ihn dadurch entwischen ließ; zum drittenmal indes gelang es ihm nicht: er mochte poltern und lärmen, drohen und flehen, so viel er nur wollte, rasch gieng's am Forsthaus vorbei und dem Holzteiche zu; hier wurde die Flasche hineingewälzt, und in jenem Teiche sitzt der Geist noch und rumort und hantiert zu Zeiten, daß das Waßer hoch aufschäumt.

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Im Felde bei Sievershausen liegen dicht am Wege die Trümmer eines Schloßes oder einer Burg, und hier geht eine weiße Jungfrau um, die von mehreren gesehen worden ist. Vor etwa zehn Jahren zur Sommerzeit und um die Mittagsstunde geht ein Jude durch das Feld. Plötzlich erblickt er die weiße Jungfrau; sie trägt ein Körbchen und ein Bund Schlüßel, winkt ihm mit einem weißen Tuche und bittet recht wehmüthig, er möge ihr die Hand reichen und ihr Gutentag sagen, so sei sie erlöst. Der Jude aber kriegt es mit der Angst und läuft fort. Zuweilen sieht er sich um, und alsdann winkt sie ihm und schreit hinter ihm her; jedoch je mehr sie ruft, desto schneller läuft er. Zuletzt noch hört er, wie sie jammert: "Nun wird erst in fünfundzwanzig Jahren wieder jemand geboren, der mich erlösen kann." Der Jude erzählt es im Dorfe, und der Pfarrer hat gerathen, es solle sich niemand vor ihr fürchten; wenn sie einem begegne, so möge er ihr Gutentag sagen, doch statt der Hand den Zipfel des Taschentuches, des Rockes oder der Schürze reichen, da man Angst hat, sie könne durchgreifen. Der Jude lebt noch, und auch sein Name ist mit genannt worden. Seitdem passt man ordentlich auf; sie hat sich indes noch nicht wieder sehen laßen.

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Etwa zwei Stunden von Sievershausen ist das Kloster Fredelsloh; daselbst war früher eine Köchin, welche ausgekundschaftet hatte, daß sich in einem alten Gemache zwei Kisten mit leinenen Sachen befanden, die noch von den Nonnen herrührten. Als es ihr nun eben an Leinewand fehlte, so holte sie sich aus jenen Kisten und beredete die eine Magd auch dazu. Die Köchin schlief mit einer zweiten Magd zusammen in einem Bett; des Nachts aber kam ein Geist, stieg hinweg über das Mädchen und sagte zu der Köchin: "Du bringst morgen die Sachen wieder an ihre Stelle, oder es geht dir schlecht!" Die zweite Magd erzählte es den Morgen allen im Hause; da nahm die erste ihre Leinewand und legte sie vorsichtig wieder in die Kiste. Die Köchin jedoch wollte nichts davon wißen, gieng vielmehr nach einiger Zeit zum zweitenmal dabei und fragte auch dießmal nichts nach den Drohungen des Geistes. Bald darauf fehlte es ihr wieder an Leinewand, und sie holte zum drittenmal. Des Nachts erscheint der Geist wieder, und es wird ein Lärm in der Kammer, daß alle Mägde erwachen, und es ihnen vorkommt, als wenn jemand ersticken will. Sie wecken die Herrschaft, und als sie hinaufgehen, finden sie die Köchin ganz zerschlagen und zertreten, der Kopf sitzt ihr auf einer Seite, und um die Mittagszeit ist sie todt.

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Ebendaselbst hat in früherer Zeit auch einmal ein Feldmeßer gelebt, der hat sich bestechen laßen und falsch gemeßen, dadurch aber manchen ehrlichen Mann mit Frau und Kind und Kindeskind in großes Elend gebracht. Wenn es nun Nacht ist, sieht man ihn "gleinig" (glühend) und mit einer "gleinigen" Stange in den Feldmarken von Sievershausen, Relliehausen und Dassel das Feld vermeßen. Es haben ihn viele gesehen, und sie alle wißen nicht genug zu erzählen von seinen kläglichen Mienen, und wie er von Zeit zu Zeit seufzet und stöhnt.

Quelle: Märchen und Sagen aus Hannover, Carl und Theodor Colshorn, Hannover 1854, Nr. 28, S. 84 - 87.