Schimmel und Bär.

Ribbesbüttel. Aus Colshorn's deutscher Mythologie.

Den Bußtag vor Weihnachten spinnen die Mädchen für sich aus dem Flachs ihrer Herrschaft. Den Ertrag für das Garn verwenden sie bei folgender Festlichkeit. Ein besonders kräftiger und munterer Bursch wird also ausstaffiert: man befestigt ihm an jeder Seite der Brust ein aufrecht stehendes Sieb, ein drittes wagrecht am Rücken, schnallt ihm einen Riemen um den Leib und steckt eine Gaffel hinein, so daß die Gabel nach oben und der Griff zwischen die Schenkel kommt; auf die Zinken steckt man einen mit Kohle gezeichneten natürlichen Pferdekopf, dessen Mundhöhle mit Stroh ausgestopft ist, in der Weise, daß die Spitzen durch die Ohrlöcher stehen; um diese Enden wickelt man die Zipfel von einem sehr großen schneeweißen Laken, wodurch ziemlich natürliche Ohren hervorgebracht werden, spannt dasselbe um die ganze Figur, und der Schimmel ist fertig. Ihm beigegeben wird ein Fuhrmann mit einer Peitsche und ein Kurschmied mit einem Hammer, und jetzt geht der Zug unter Peitschenknall und von vielen Burschen und anderen Zuschauern begleitet lärmend durchs Dorf, um Gaben, als Würste, Speckschnitte, Obst etc. einzusammeln, und endlich zu einer Spinnstube. Die Mädchen sind unterdes auf die Diele geeilt und haben hier einen Halbkreis gebildet; dahinein galoppiert der Schimmel, und mit ihm stellen Fuhrmann und Kurschmied sich ein. Nach mancherlei kurzweiligen Gebräuchen, wozu gehört, daß der Fuhrmann den Schimmel verhandeln, der Kurschmied ihn beschlagen, dabei vernageln und hierauf besichtigen, auch wohl eine eingetretene Kolik desselben beschwichtigen muß etc., beginnt die wichtigste Feierlichkeit: der Schimmel muß Orakel ertheilen. So wird er z.B. gefragt, wann jedes der Mädchen heiraten werde; und so oft er nickt, so viel Jahre dauert's noch, und wenn er sich schüttelt, bleibt sie ledig. Andere Fragen sind, welches die beste, die jungfräulichste etc. sei, was durch dreimaliges Nicken kund gemacht wird; oder wie viel Teller voll Erbsen sie eßen, wie viel Tassen Kaffee sie trinken könne und dergleichen Fragen mehr, von denen manche ins Aschgraue laufen. Das Ende vom Liede heißt hier wie nachher bei anderen Spinngesellschaften: "Eßen mag ich gern; aber trinken, immer trinken!" - Mit diesem Schimmel zieht zuweilen ein Bär um. Ihn hat man dadurch angefertigt, daß man einen Burschen mit einer bedeutenden Masse Erbsenstroh umwickelte, worauf derselbe in der Versammlung auf Händen und Füßen, erstere mit Fausthandschuhen angethan, auftritt. Will er nicht brummen, so bekommt er Hiebe, ebenso, wenn er sich zu tanzen weigert; auch muß er Säcke und andere ihm vorgeworfene Dinge zerreißen und sonstige Kurzweil treiben.

Quelle: Märchen und Sagen aus Hannover, Carl und Theodor Colshorn, Hannover 1854, Nr. 85, S. 241 - 242.