Von den vier Tagedieben.

Mündlich und nach dem historischen Weltspiegel.

Ein reicher Kaufmann ritt nach Braunschweig zur Messe. Als er vor das Thor kam, fand er vier Bettler am Wege sitzen, welche ihn nach ihrer Gewohnheit um Gabe und Almosen anriefen. Der Kaufmann hob an und sagte: "Wenn ich wüßte, wer unter euch der Faulste ist, und wer von euch in seinem Leben am wenigsten gearbeitet hat; so schenkte ich demselben einen Thaler." Da antwortete der erste Bettler: "Der Thaler ist mein; denn ich bin so verdroßen, daß mir danach zu langen oder einen Finger zu regen zu beschwerlich ist, und daß ich lieber verhungern wollte, als mich bücken, wenn er da im Graben läge." Der andere sprach: "Ich bin noch fauler; denn wenn mir schon der Thaler auf den Schoß gelegt würde, so möchte ich doch meinen Beutel nicht aufmachen und ihn hineinstecken; ja, wenn man ihn mir in den Beutel steckte, so wollte ich lieber verdursten, als ihn hervorholen." Der dritte fieng an und sagte: "Und ich wollte meine Augen nicht zuthun, wenn es mir gleich d'reinregnete, und meinen Mund nicht schließen, obschon Kröten und Spinnen hineinkröchen." Endlich sagte der vierte: "Der Thaler gehört mir; denn ich bin am allerfaulsten, und will es jetzt darthun, daß es wahr sei. Wenn mich der Henker am Strange führte und schleppte mich die Leiter hinauf an den Galgen, und man wollte mich losschneiden und mich davonlaufen laßen; so möchte ich doch vor Faulheit solches nicht annehmen und wollte mich lieber dreimal hängen laßen, als einmal einen Fuß aufheben, um fortzugehen." - Nachdem der Kaufmann solche Reden angehört hatte, sprach er, indem er den Gaunern einen blanken Thaler hinwies: "Da ich zwar wohl vom Pferde hinunter-, jedoch nicht gut wieder heraufkommen könnte, ihr aber es nicht über euch zu gewinnen vermögt, euch herzubemühen; so thut es mir leid, euch den Thaler nicht einhändigen zu können." Als nun aber alle vier auf ihn losstürmten, um das Geschenk entgegenzunehmen; da peitschte er sie mit seiner Gerte durch und sagte: "Schon, wer nicht Lust hat zur Arbeit, ist eine nichtsnutzige Kreatur; wer sich aber gar seiner Faulheit rühmt, ist nicht werth, daß ihn die Hunde beschnüffeln! Deshalb begabe euch der Teufel; von mir wird euch kein Pfennig, viel weniger noch ein Thaler werden." Sprach es, gab seinem Pferde die Sporen und jagte davon; und die Bettler machten ein Gesicht wie eine Elle so lang, und so unwirsch wie ein Sauerkohltopf.

Quelle: Märchen und Sagen aus Hannover, Carl und Theodor Colshorn, Hannover 1854, Nr. 83, S. 236 - 237.