DER RIESE ALS KNECHT

Einer von den Söhnen des Hünen auf dem Haldemer Berge diente bei dem Herrn von der Horst zu Haldem. Seine erste Arbeit war Misten. Als er aber die Forke in die Hand bekam, sprach er: "Das ist ja eine Gabel, womit man die großen Bohnen isst." Er ging also zur Schmiede und ließ sich eine größere Forke machen. Da war denn jeder Stall voll auch eine Forke voll. Das gefiel dem Herrn. Da musste der Riese auch pflügen. Er schob aber den Pflug mit der Hand, immer den Pferden auf die Hacken. Der Herr sprach: "Das ist nicht nötig, die Pferde sind darum vorgespannt, dass sie ziehen sollen." Der Riese erwiderte: "Die Pferde sind nur zum Staate da, sonst kann man den Pflug mit einer Hand gut schieben." Das gefiel dem Herrn alles sehr wohl.

Als es aber an die Mahlzeit ging, da verdross es den Herrn bald, denn der Riese aß nicht für zwei, drei, vier, sondern für die ganze Haushaltung. Da wollte der Herr ihn wieder los sein und sprach zu seinen Knechten: "Morgen früh sollt ihr Holz vom Berge holen, ein jeder seine bestimmten Stämme, und wer von euch der Letzte auf dem Platze ist, der soll fort."

Der Riese war ziemlich schläfrig und da dachten die andern, ihn im Schlaf zu betrügen. Sie fuhren schon früh am Morgen aus. Einige Stunden später erwachte der Riese und sah, dass die andern Knechte schon fort waren. Er aber entschloss sich schnell, spannte in Eile die Pferde an und jagte den andern nach. Als er am Berge ankam, da hatten die ihr Holz schon gehauen und luden es auf. Der Riese aber griff die Bäume an, riss sie aus und warf sie auf den Wagen mit Wurzel und Erde. Da war er der Erste, der sein Fuder voll hatte, und als er vom Berge kam, konnten es die Pferde nicht ziehen. Da freuten sich die andern und wollten an ihm vorbeijagen. Er aber entschloss sich kurz, band die Pferde an den Füßen zusammen und hing sie quer über den Wagen, steckte den kleinen Finger ins Deichselloch und fuhr so schnell damit weg. Als er aber vor den Hof kam, konnte das Tor den Wagen nicht fassen. Da drängte er ihn hinein und brachte das ganze Tor mit auf den Platz.

Jetzt war der Herr wieder verlegen, was er nun mit ihm anfangen sollte. Da wollte er in der Güte mit dem Riesen handeln, damit er aus seinem Dienst gehen solle. Der Riese sprach: "Ich will dir einen Schlag geben; wenn du den aushalten kannst, dann will ich gehen." Da kam dem Herrn das Beben. Doch dachte er: "Du wirst ihn sonst nicht los", und ging darauf ein. Da gab ihm der Riese einen Schlag auf den Hintern, dass er über das Haus hin flog. Der Wind aber hielt ihn in seinem Mantel, sodass er langsam herunterkam, ohne Schaden zu nehmen. So wurde er des Riesen ledig.


Quelle: Paul Zaunert, Westfälische Sagen, 1927