Die versunkene Kapelle

Eine anmutige Sage erzählt, daß das älteste christliche, dem heiligen Johannes (dem Täufer) geweihte Süchtelner Gotteshaus, im Johannistal gestanden habe. Es versank plötzlich in den Schoß der Erde und an seiner Stelle bildete sich ein tiefer Weiher. Geheimnisvoll töne in der Johannisnacht dort dumpfes Glockengeläute aus dem Wasser heraus.


Von schlanken Föhren rings umgeben,
In roter Heide hellem Strahl
Liegt bei der Abendlüfte Beben
Das liebliche Johannistal.

Ein Brünnlein rinnt in tiefem Grunde
Ein einz’ger Pfad zieht sich durchs Grün,
Goldgelber Ginster schmückt die Runde,
Und schnelle Schwalben sieht man zieh’n.

Es ist so still an diesen Hügeln,
Kein Tierruf hebt sich weit und breit;
Der Fuhrmann lenkt mit losen Zügeln
Lautlos durch diese Einsamkeit.

Im Osten steigen bleiche Sterne,
Und wer die Heide geht entlang,
Hört träum’risch oft, wie aus der Ferne,
In Luft verweh’nden Glockenklang.

Wo ragt die graue Kirchenmauer,
Der dieser dumpfe Klang entquillt,
Der wie ein Mahnruf tiefer Trauer
Das stille Tal unheimlich füllt ?

Wo haust die klagende Gemeine,
Die sich in diesem Raum verliert,
Wo aus vermorschtem Gruftgesteine
Sich Klang auf Klang stets neu gebiert ?

Doch keiner sagt, woher es klinget
Aus längst versunk’ner Glocke Mund;
Ob’s aus der Ferne zu dir dringet,
Ob unter dir aus tiefem Grund.

Dem Hirten, der von naher Weide
Der Herde folget unbewusst,
Dem müden Jäger in der Heide
Tönt’s wie in seiner eig’nen Brust.

Von dieser Kirche schweigt die Sage,
Uralter Zeiten frommer Gruß;
Der Jungfrau tönt’s wie Liebesklage,
Dem Manne wie ein ernstes Muß;

Dem Kinde klingt’s wie Lerchenreigen,
Dem Jüngling pocht es ungestüm,
Jedoch dem Greis beim tiefsten Schweigen
Der Christnacht nur, da lauscht er ihm.

Daß eine Kirche hier gestanden,
Vermelden Schrift und Sage nicht;
Kein Chronikbuch ist uns zu Handen,
Das aus so fernen Zeiten spricht.

Als uns’re Väter Heiden waren,
Zog Sankt Suitbertus durch dies Land,
Drum wird noch heut’ nach tausend Jahren
Dies Tal am „ Heidenweg “ genannt.

Und durch die Seele bebt ein Schauer,
Und um die Hügel klagt die Nacht,
Ein Mahnen tief geheimer Trauer,
Die auf der Erde endlos wacht.

So fühlt das Herz in tiefem Beben,
Wenn dieser Glockenklang ersteht,
Daß jedes Leid und jedes Leben
Wie Lied und Lust zu Ende geht.

 

Versunkene Kapelle, Uwe Micha

Alte Fotographie der versunkenen Kapelle um 1890
Die Kirchturmspitze wurde vom Verschönerungsverein Süchteln vor 1900 aufgestellt.
Es gab um das Jahr 800 in Süchteln ein schweres Erdbeben, das mit dem Sandboden und Wasser der Region zur sog. 'Liquefaction' führen hätte können, was den Kern der Sage laut Herrn Micha durchaus glaubhaft erscheinen läßt.
Zugesandt von Uwe Micha

Die Gründung der ersten Kirche in Süchteln erfolgte wahrscheinlich schon sehr früh. Es läßt sich aber nicht mehr bestimmen, wann und wo sie hier erbaut wurde. So weist aber die Sage auf das hohe Alter des Gotteshauses hin und auf die Annahme, daß sich schon zur Zeit der ältesten niederrheinischen Glaubensboten ( Willibrordus/Clemens - gest. im Jahre 739 und des heiligen Suitbertus - gest. 713 ) die Süchtelner Pfarre bildete. Sie gewinnt dadurch an Gewißheit, daß Süchteln an der Kreuzung zweier Römerstraßen lag, und Gotteshäuser baute man in der ersten christlichen Zeit bevorzugt an wichtigen Verkehrsknotenpunkten.

Quelle: Email-Zusendung von Uwe Micha, 11. Jänner 2003, der unter www.soetele.de eine beeindruckende Webseite über die Geschichte und Erinnerungen der alten Stadt Süchteln betreibt.