43. Rübezahl verwandelt sich zum Bileamsesel.

Nachdem einsmals ein schnakhaftiger gemeiner Bürger, der sonsten in Kompagnien mit seinen possierlichen Scherzen die Leute hübsch lustig machen gekunnt, im Werke begriffen gewesen, über das Gebürge [Gebirge] zu gehen und zwar gar einsam, da hat es sich zugetragen, daß der Rübezahl unterwegens zu ihm genahet, in Gestalt eines andern schlechten Bürgermannes, bei sich habende einen hübschen großen Esel, darauf er geritten. Nachdem sie nun ein Weilchen miteinander gewandert, da hat der Rübezahl den Mitgefährten erfraget, wohin er gedächte? Wie jener nun ein gewissen Ort benannt, darauf er anfänglich zukommen würde, hat der Rübezahl gesprochen: Ei das ist getroffen, und also kann ich vielleicht einen weitern Weg ersparen: nämlich, so Ihr, guter Freund, gebeten sein wollet und mir meinen Esel zu Gefallen damit hinnehmet, und diesen oder jenen (er hatte aber einen gewissen benamet) Manne liefert; ich will Euch zuerst ein paar Groschen zum Trinkgelde geben, zum andern will ich Euch auch erlauben, daß Ihr auf das Lasttier reiten möget und Euren Weg ohne sonderliche Müdigkeit, desto füglicher verrichten. Hierauf hat es jenen beliebet, und war nachdem der unvermerkte Rübezahl durch einen andern Weg abseits gegangen. Wie nun dieser Tropf, dem der Esel anvertrauet geworden, eine Ecke auf das Kreuztierigen geritten und es sich etwas träg erzeiget, da hat ers mit einer Spitzruten geschmissen und etwas weiter angereget; drüber der Esel aus Ungeduld angehoben und mit menschlicher Stimme gesprochen: Schlag, Schelm, schlag! Drüber hat sich der Bereiter entsetzet, und dennoch nach seiner gewöhnlichen Kurzweile gesprochen: Du wirst so nicht gar der Teufel sein! Und hiermit war er noch etwas fürder gezucket, bis der Esel abermal stutzig geworden und auf dem Wege stehen geblieben. Da hat jener Schnake sich wiederumb seiner Peitsche gebrauchet; drauf der Esel dieses gesaget: Halt inne, Bruder; weißestu nicht, daß dich gleich jetzund in deiner Abwesenheit dein Nachbar zum Hahnrei machet? Hierüber hat sich der Reuter nunmehr recht entsetzet und geschwinde gesprochen: Halt, halt! Nun höre ich erst recht, daß ich mit den Hänger beschissen bin. Du magst deines Weges gehen, und ich will vor mich auch schon die Bahne zu finden wissen. Und indeme wollte er von dem Esel hinunterhutzschen. Aber: Nein! sprach das Bileamspferd: so haben wir nicht gewettet; du mußt mit mir und ich mit dir, wir müssen beide vertrauet beieinander bleiben. Doch wie dem allen, so hatte jener zaghafter Hase sich immer bemühet, vom Esel herunterzukommen; aber er war allezeit inne geworden, daß er gleichsam angebacken wäre und sich durchaus nicht abzwingen möchte, wieviel er gerüttelt, geschüttelt und gezopfet. Mittlerweile aber war der Esel mit dem Aufsitzer, wie das geflügelte Pferd Pegasus mit dem Bellerophontes oder Perzeus, über Block, über Stock gesprungen; also daß sie miteinander in einer Eile eine halbe Meile verrichtet. Da es denn geschehen, daß sie an ein seichtes Bächlein geraten, drüber der Weg gegangen. Da war der Esel zwar anfangs noch sichtlich mit hineingegangen, aber weiter hinwärts war er unter ihn verschwunden und zum ziemlichen Stücke schönes Leinwandes oder schlesischen Schiers geworden: drüber der Wanderer aufs neue teils wieder erschrocken, teils auch erfreuet worden; denn es war ihme nunmehr in Gedanken gekommen, daß es Rübezahls Gespüke und Geschicke sein möchte. Hat derohalben das unter sich befundene Pack Leinewand getrost als nunmehr sein eigenes genommen und ist damit nach der ausgestandenen Angst getröstet worden, und hat seinen Weg vollends ohne Irrtum verrichtet. Ja, er hat auch bald darauf gesehen, daß die vormals geschankten Groschen zu Dukaten waren geworden, drüber er noch mehr gejauchzet.

Quelle: Bekannte und unbekannte Historien von Rübezahl, Johannes Praetorius, 1920, S. 40f
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