107. Rübezahl verkaufet Buttermilch.

Auf eine Zeit bekamen zwei Messerschmiede-Gesellen in Schmiedeberg ihren Abschied, und noch eher, als sie es vermutet, resolvierten also miteinander, in Meißen übers Gebürge [Gebirge] zu reisen. Wie sie nun auf dem Kamm waren gegen die Kuppe und fast das Reisen satt hatten, dabei nicht geglaubet, vom Wirtshause so weit entfernet zu sein, indem sie keines sehen konnten, wie sehr sie sich auch darnach umsahen, sichten sich also auf einen weit herum sehenden Hügel nieder und langeten aus ihrem Säckel herfür, was sie Gutes mitgenommen, und speiseten, wünschten dabei einen kühlen Trunk. Kaum hatten sie ihr Anliegen vergessen, so wurden sie einen Mann gewahr, der trug zween Krüge in Händen.

Da er sich zu ihnen nahete, fragten sie ihm, was er da Gutes trüge. Dieser sagte: Buttermilch. Das ist gut, sagten diese durstige Wanderer. Fragten aber, ob er solche verkaufe; so wollten sie ihm ein Krügel voll abkaufen. Der Mann sagte: Ich verkaufe sie wohl; aber wenn ich ein Krügel voll verkaufe, lohnt's der Mühe nicht, daß ich weiter gehe. Wohl, sagte einer dieser Gesellen, so ein Schwabe war, wir behalten sie beide; Bruder, sagte er, nimm du einen und ich auch einen. Griffen darauf zum Säckel und bezahlten die Milch. Wie nun der eine getrunken und absetzte, bedaucht ihn, er hätte nichts Nasses bekommen, sahe seinen Kameraden an: der trank auch, dem war auch also, als hätte er nicht getrunken. Der Mann nahm die Krüge und ging seitwärts über den Berg seinen Weg. Wie er ein wenig fort war, sagte der Schwabe zu seinem Gefährten: Bruder, wie hat dir die Milch geschmeckt? Der antwortete: Ich kann dir's nicht sagen; mir ist, ob hätte ich nicht getrunken. Der sagte gleich: Mir ist auch also, wir sind beide betrogen; aber ich leide es nicht, ich will ihm nacheilen; er muß mir das Geld wiedergeben, oder ich schmeiß ihm den Puckel voll. Lief, was er konnte, dem Manne nach, schrie: Freund, steht stille! Der Mann aber tät, als höret er ihn nicht. Wie sehr dieser ihm nachlief, mochte er ihn doch nicht erreichen, ob er gleich nahe an ihm war; bis dieser vor Müdigkeit sich setzen mußte und ausruhen. Wie sich der gute Mensch recht umsahe, hatte er den Mann und seinen Gefährten verloren; mußte sehen, daß er mit Kummer und Mühe wieder zurücke kam, vergaß gerne des Geldes vor die Buttermilch.

Quelle: Bekannte und unbekannte Historien von Rübezahl, Johannes Praetorius, 1920, S. 101ff
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