56. Rübezahl verwandelt Blätter in Dukaten.

Es hat mir dieses Stücke selber erzählet Anno 1662 den 6. und 7. Junii in Leipzig ein sehr glaubwürdiger und kunstreicher Apotheker von Hirschberg (nachdem er seine Reise hierdurch hatte, und mich, um vorhabendes Werk zur Vollkommenheit in etwas besser zu befördern, großgünstig auf meinem Losamente in Paulino Collegio, auf Junker Caspar Barthels sel. gewesene Stube, zusprach, und wacker aus der Erfahrung und langwierige Erkundigung diskurrierten), ein fast ältliger Mann und selber aus Schlesien in obgemeldeter Stadt, so nur zwo Meilen von des Rübezahls Residenz gelegen, bürtig, nämlich: es soll vor wenig Jahren eine arme Kräuterfrau samt ihren zweien kleinen Kindern aufs Gebürge [Gebirge] gegangen sein, mit sich führende einen Korb, drinnen sie gedacht Wurzeln zu graben und solche hernach zu verhandeln oder an die Apotheker zu bringen; drauf soll sie auch eine große Hucke feiner Wurzeln zuwege gebracht haben, aber sie war drüber aus dem rechten Wege geraten, da sie denn nicht gewußt, wo aus oder ein, bis ihr gleichsam ein Bauersmann erscheinete und ohngefähr (es war aber der Rübezahl gewesen) im Irrtume zu sie kömmt, sprechende: Frau, was sucht Ihr so ängstlich, und wo wollt Ihr hinaus?

Verwandelt Blätter,

Sie antwortet: Ach, ich bin ein armes Weib und habe weder zu beißen noch zu brechen, derentwegen bin ich genötigt worden, herauszuwandern und etwas Wurzeln zu graben, umb mich und meine hungerige Kinder zu erhalten; und nun bin ich aus dem Wege geraten und kann mich nicht wieder zurechte finden. Ach herzer Mann, erbarmet Euch doch und führet mich aus dem Gebüsche auf die richtige Straße, daß ich fortkommen kann. Der Rübezahl antwortet: Frau, seid zufrieden, ich will Euch schon den Weg zeigen. Aber was macht Ihr mit den Wurzeln; damit werdet Ihr wenig verdienen, schüttet das Zeug aus und pflücket Euch von diesem Baume so viel Blätter ab, als Ihr wollet, daß der Korb ganz voll werde, das wird Euch besser bekommen, Resp. Ach, wer wollte mir darvor einen Pfennig geben; es ist ja nur gemeines Laub, das nichts tüchtig ist. Resp. Ei Frau, lasset Euch sagen und schüttet Eure lumpen Wurzeln aus und folget mir! Allein, es hat der Rübezahl diese Vermahnung so vielmals vergeblich repetieret, daß er selber fast müde drüber geworden, weil sich die Frau nicht hat wollen einreden lassen, bis er selber zugreifen muß und mit Gewalt die vorigen Wurzeln herausstürzet, dafür aber ein Haufen Laub von einem nahe dabei stehenden Busche hineinstreifet, die Frau damit davonzugehen befiehlet und sie auf den rechten Weg bringet. Drauf die Frau mit ihren Kindern und belaubtem Korbe (zwar wider Willen) eine weite Strecke fortgemarschieret, bis sie abermal schöne Wurzeln im Gehen ansichtig geworden, da sie neue Lust zu graben und selbige mit sich zu nehmen bekömmt, weil ihr war eine Hoffnung in die Achsel gefahren, sie würde hiemit was mehrers erhalten als am nichtigen Laube. Drauf sie den Korb umstürzet und den vermeinten Quark herausgeußt und ihn wiederumb mit Wurzeln besacket, damit sie nach ihrer Behausung, Kirschdorf, gewandert ist, und allda die ausgegrabene Wurzeln von noch anklebender Erde gesäubert, zusammengebunden und vor allen Dingen aus dem Korbe herausgeschüttet hat, drüber sie etwas stinkern siehet, und dannenhero Anlaß nimmt, fleißiger darnach zu sehen, was es gewesen; wie solches geschiehet, siehe, da findet sie etliche Dukaten unten im Korbe stecken, welche übrig geblieben waren von dem Laube, so sie vorher auf dem Gebürge [Gebirge] so unbedachtsam und nicht reine herausgeschüttet gehabt, drüber sie teils über die Maßen erfreuet wird, teils auch sich betrübet, daß sie das Laub nicht alles behalten, dannenhero sie denn auch wieder zurücke läuft und Nachsuchung tut, aber vergebens, denn es war alles verschwunden gewesen.

Quelle: Bekannte und unbekannte Historien von Rübezahl, Johannes Praetorius, 1920, S. 53ff
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