94. Rübezahl kaufet Sachen für wunderliche Schafskäse.

Es wird erzählet, wie daß man von den schleichen warmen Bade bei eine Meile gehen müsse, ehe man recht auf das Gebürge [Gebirge] gerate; hernach soll sich auch das Gebürge selbsten bei eine Meile erstrecken, ehe man nach der hohen

Elbe komme: von welchem Orte noch eine Meile restieren soll, ehe und bevor man ins Böhmerland gerate. Es soll aber die hohe Elbe ein bewohnter Ort und sehr altes Dorf sein, drinnen es lauter kleine Leute gebe, welche sich nur von Viehzucht ernähren, kein Geld haben, sondern Ware für Ware geben. Solcher Gelegenheit und dieses alten Kaufhandels sollen sich etliche Kaufund Handelsleute bedienen, welche von hier hinaus für jene Leutchen unterschiedliche Waren mit sich nehmen und solche teils mit Käse, teils mit Leder, Vieh und andern Sachen verstechen. Es sollen sich aber weniger sechst kaum getrauen, daselbsten hin und her zu gehen. Unter diese gedachte Kaufmannschaft soll es sich einmal begeben haben, daß der Rübezahl sich in einen solchen kleinen Bergmann verwandelt und einen herannahenden Kaufmann angepackt habe, oder in selbigem Dorfe, auf gewöhnliche Manier, Ware für Ware geboten. Nämlich, der Handelsmann hatte Strümpfe und Hüte gehabt, dafür hat der Rübezahl ihm eine ansehnliche Anzahl Schafskäse präsentieret; wie sie denn auch ihres Kaufes darbet einig geworden sein. Und nimmt also der Rübezahl die Ware zu sich, gehet hiemit davon; der Kaufmann aber stecket seine Käse ein und wandert auch hiemit davon. Aber wie dieser zu seiner Wohnungsstadt kömmt und die Käse besichtiget, da siehet er, daß es lauter Käseförmichte, runde und dünne Schachteln gewesen sein, in welchen ersten er nur Feldsteinichen und kleinen Sandgries angetroffen hat; drüber er in Zorn ergrimmet und alle Schachteln zum Haus hinausgeschüttet hat. Aber was geschicht? Es schleppen sich die vorübergehenden Kinder mit den gefundenen und auf den Mist geworfenen Schachteln; davon auch endlich eine des Handelsmannes sein Töchterlein bekömmt und ins Haus bringet, auch dem Vater und der Mutter solches Dingelein zur Verwunderung zeiget. Drüber soll der Vater gesprochen haben: Ei, wirf das Ding weg, es ist Augenverblendung, und bin damit vom Gespenst betrogen worden! Die Mutter aber soll hingegen gesprochen haben: Ei, lasset es doch von mir aufmachen, damit ich auch sehe, was drinne steckt. Nach diesen Worten soll sie flugs, wider des Vaters Willen, das Schächtlein eröffnet haben und fast eine Hand voll gediegen Goldes drinnen gefunden haben. Über welches Gesichte und Geschichte sie sich sämtlich verwundert, daß nämlich die eine Schachtel sich so ungefähr wieder angefunden und seine Ware bezahlet gemacht habe. Haben hierbei weiter suchen lassen, ob auch in den übrigen Schachteln, so noch draußen im Miste gelegen sein, etwas von Golde stehe, das sich der Mühe verlohnete. Aber da ist niemand mehr zu Hause gewesen, weil es der ungeduldige Kaufmann vielleicht verscherzet hat, indeme er aus Ungebühr alle Schachteln mit Fluchen und Schelten weggeschüttet gehabt.

Quelle: Bekannte und unbekannte Historien von Rübezahl, Johannes Praetorius, 1920, S. 89ff
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