77. Rübezahl hilft einem armen Mann einen Schlitten Holz herunter aus dem Gebürge [Gebirge] fahren.

Ein armer Bauersmann hatte sich ein wenig Holz im Gebürge zusammengemacht, in Meinung, solches bei guter Schneezeit bequem herunterzubringen. Da nun der Winter in Ermangelung des Schnees dasselbe Jahr schlecht war, wußte er sich keinen Rat; der Winter war strenge, daß er also mit seinem Weib und Kindern große Kälte ausstehen mußte. Er sähe sich genötiget, etwas aus dem Busche zu holen, es sei so viel als ihm möglich. Wie er nun allda angelanget, stund er ein wenig und suchte seinen Kummer hinter den Ohren zu stillen; denn er wußte nicht, wie er das Holz den Berg hinunterschaffen sollte.

Wie er mit solchen Grillen sich plagte, siehe, unverhofft kommt ein Mann mit einem Schlitten getrost auf ihn zugezogen, der ihn sofort frägt, wie es ihm geht und ob's auch Schnee gnug hat, Holz herunterzuschleppen? Der gute Mann antwortete ihm: Nein, der Schnee ist heur schlecht; ich weiß nicht, wie ich mein bißchen Holz herunterbringen will, wo kein Schnee mehr kommt. Rübezahl sagte: Oho, wenn ich nur viel hätte! herunterzubringen getraute ich mir's schon; kommt, weiset mir, wo es stehet! Als sie hinkamen, sprach er: Ihr habt dem Holz keine gute Stelle gegeben; allein wollt Ihr mir's etliche Schritte Herüberwerfen, will ich es Euch den Berg helfen herunterfahren. Der Bauer sprach: Das will ich gerne tun; wollet Ihr mir helfen, so geschieht mir ein sonderlicher Gefallen, denn ich habe zu Hause gar kein Holz, Weib und Kinder sind mir halb erfroren; wenn Ihr nur nicht zu viel vor Eure Mühe verlangt: Hülfe wäre mir vonnöten, denn ich bin ein armer Mann. Rübezahl versetzte: Wir werden es schon miteinander machen; werfet nur frisch herüber, ich will für Euch und hernach für mich aufladen. Sobald er des Mannes Schlitten vollgepackt, half er ihn damit auf den Weg; nachdem er das Holz zu seinem herzugeworfen, hieß er den Mann fahren, soweit er könnte, er wollte ihn bald nachkommen. Der Mann tat, wie er ihm gebot. Rübezahl lud also das über den Stein geworfene Holz auf seinen Schlitten, segelte damit den Berg hinunter, daß der Mann erstaunte, wie er ihn vorbeikommen sähe. Rübezahl lachte und sagte: Sehet, so müßt Ihr austasten und fahren; sonsten lohnet's nicht der Mühe, es so weit herunterzuholen. Der Mann dankete ihm gar sehr und bat, daß er s ihm auch vollends nach Hause helfen wollte. Er besann sich ein wenig, sagte drauf: Weil es nahe am Dorfe ist, kann es schon geschehen; ziehet, ich will nachschieben! Drauf brachten sie des Mannes Schlitten zuerst nach Hause. Der Baur sagte zu feinem Weibe, die sich über ihres Mannes baldige und glückliche Wiederkunft sehr erfreuete, sie sollte nun geschwind eine warme Stube machen, es würde nicht gar lange sein, so würde er mehr Holz bringen. Sie tat's. Inmittelst gingen diese beide und brachten den andern Schlitten auch herzugeschleppt; Weib und Kinder freueten sich, da sie sahen das viele Holz ankommen. Der Mann nötigte seinen Mithelfer darauf ins Haus und in die Stube; er ging endlich hinein. Er sähe, daß bei den guten Leuten wenig mochte zum besten sein; drum ließ er sich mit dem guten Willen begnügen. Der Mann trug auf, was seine Wenigkeit vermochte, und bat, daß er sagen wollte, was er ihm vor seine Mühe gäbe. Rübezahl sagte: Gebet, was Euch dünket recht zu sein. Ihr werdet's ja verstehen; doch sehe ich wohl. Ihr bedürft's selbst. Der Mann gab ihm drei Groschen, sagte, mehr hätte er nicht, sonst wollte er ihm gerne mehr geben; denn er wüßte, daß er's verdient hätte. Damit war auch unser dienstfertiger Rübezahl zufrieden. Die Leute hatten zwei Kinder: die warme Stube hatte sie hinter dem Ofen weggetrieben, die liefen in der Stube herum und machten chm Zeitvertreib. Das eine Kind, so ein munter Knab, gefiel unseren guten Rübezahl dermaßen, daß er stets aufsein Tun Acht hatte; griff darauf in seine starke Ficke und sagte zu ihm: Komm her, schau! hier will ich dir ein paar Knippkäulchen schenken, spiele damit! Der Knabe war beherzt, griff vor Freuden zu und sprang damit herum. Der andre aber wollte nicht kommen, doch schmiß Rübezahl ihm einen zu, weil er sähe, daß er traurig wurde, damit er sich mit seinem Bruder freuete. Hierauf nahm er Abschied von ihnen, zog mit seinem Schlitten immer dem Gebürgt zu; der Mann gab ihm ein Feldweges das Geleite und kehrte wieder zu seiner Hütte. Nach einer guten Weile, als die Eltern mit den Kindern wegen der Käulchen halben ihre Freude hatten und eines davon besahen, wurden sie innen, daß es pur gediegen Gold war. Sie waren dessen froh und sehr benötigt, konnten eine gute Weile davon haushalten. Sein Nachbar, deme es dieser Mann vertrauet, gedachte selbiges Glück auf solche Art auch zu erlangen, ging aus nach Holz; es wollte aber keiner zu Hülfe kommen, mußte also seinen Schlitten ledig wieder zu Hause schleppen.

Quelle: Bekannte und unbekannte Historien von Rübezahl, Johannes Praetorius, 1920, S. 73ff
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