15. Rübezahl überwindet einen unterirdischen König.

Man an will ingemein wenig davon halten, daß es auch unter der Erden solle Leute geben, welche ebenmäßig ihre Regimentsatten haben; doch überzeuget folgende Geschichte die Zweifelmütigen und will die Sage mit der Erfahrung bekräftigen. Nämlich, es soll vormaln ein Handwerksbursch über das Gebürge gewandert sein, da es unterwegens sich begeben, daß der Rübezahl in einer unbekannten Gestalt zu ihm gekommen oder auf einen großen Ochsen oder Brümmer zu ihm geritten; davon er balde herunter gestiegen und sie mit einander unversehens bei ein unerhörtes tiefes Erdenloch zu stehen gekommen, welches der Rübezahl vorher ausgegraben gehabt. Hierbei hat er den Reisegesellen mitsamt dem Ochsen stille stehen heißen, sagende: Halt mir hie meinen Brümmer und weiche nicht von dannenl Denn ich habe allhier unter der Erde mit einem grausamen Erdenkönige zu tun, welcher mir eines Teils von meiner Revier unlängsten hat wollen einnehmen, dafür ich ihn jetzt, oder er mich, lohnen will. Unterdessen bleib du allhier behalten; und wenn du vermerkest, daß eine Gans herausfleuget, so ist die Sache bald gut und habe ich gewonnen Spiel: Wirstu aber inne werden, daß eine Eule aus dem Abgrund hervorkommt, so nimm Reißaus und reite mit dem Ochsen immer vor dich weg, so weit als du kannst, denn ich werde alsdenn das Feld verloren haben. Und hierauf hatte der Gesell dem Rübezahl die Hand geben müssen, welcher darnach in den greulichen Abgrund gesprungen ist: daraus er mit Verwunderung ein schreckliches Geschrei gehöret von Trommeln und Trompeten, also, daß dem guten Kerl die Haare zu Berge gestanden; wie er denn auch hierbeineben seines Lebens nicht sicher gewesen, indem der Ochse so tyrannisch ausgesehen, gebrüllet, mit den Hörnern in die Erde gestutzt und mit den Pfoten in das ausgegrabene Erdreich dermaßen gescharret, daß er schier innerhalb zwo Stunden die ganze Grube erfüllet und, wann es noch hätte länger sollen währen, alle Erde zu ihrem vorigen Ort gebracht hätte. Doch war es endlich geschehen, daß die Gans hervorgefladdert gekommen und darauf der blutrünstige Rübezahl erfolget, sprechende: Nun ist die Sache richtig und habe ich meinen Widersacher in tausend Stücken zerhauen. Du aber, weil du mir so lange aufgewartet und meinen Klepper gehalten, so nimm das eine Ochsenhorn zu dir; und indeme hatte er seinem Brümmer das eine Hörn aus dem Kopfe gezogen und dem Handwerksgesellen gegeben, welcher damit in Eile weglaufen mußte. Aber merke, daß solches Hörn sich eine Stunde oder etliche zu tragen der Mühe noch wohl verlohnet gehabt: weil der Bursche befunden, daß es hin und wieder mit Golde ausgeleget und ein köstlich Trinkgeschirr gewesen, welches vielleicht die alten

Teutschen gebrauchet und der Rübezahl von sie geerbet gehabt. Solches hörnern Gefäß soll hernach auf eine vornehme Kunstkammer gekommen sein, da dem Gesellen funzig Reichstaler darvor gegeben worden. Und also hat sich dieses Horntragen noch wohl bezahlet gemacht und der Ochsendienst sich der Mühe ziemlich verlohnet.

Quelle: Bekannte und unbekannte Historien von Rübezahl, Johannes Praetorius, 1920, S. 14ff
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