82. Rübezahl verwandelt sich in einen Esel.

Ich weiß mich zu entsinnen, daß ich einsmals mit einem Manne geredet habe, welcher aus der Fremde gekommen und sonderlich in Ost-Indien sich lange aufgehalten hatte. Dieser sagte, daß er einsmals des Nachtes gereiset hätte, und nachdem er müde gewesen, sich beim Mondenscheine nach etwas umgesehen, drauf er sitzen und ruhen möchte; da habe er gemeinet, es läge nicht ferne von ihm ein Klotz oder Block, worauf er sich alsbald niedergelassen.

Rübezahl verwandelt sich in Esel

Doch ist er hernach inne geworden, daß es eine greuliche dicke Schlange gewesen, indem es sich gereget und fortgekrochen. Diesem Betrüge soll auch der Rübezahl einmal ziemlich nachgekommen sein; indem etwan ein Glaser so über das Gebürge [Gebirge] gegangen und über die schwere Last des Glases, so er aufn Puckel gehabt, müde geworden und sich ebenmäßig nach einem Sessel umgeschauet, worauf er ein wenig ausruhen möchte. Was geschicht? Der Rübezahl, als ein schlauner Geist und gedankenkündiger Gast, verstehet des Glasers Verlangen und verwandelt sich drauf in einen runden Klotz, den der Glaser im Wege nicht lange hernach antrifft und mit frohen Mute auf solchen sitzen gehet. Doch währet diese Freude auch mit dem ermüdeten Glaser nicht lange: sintemal, da er im besten Ruhen ist und auf kein Arges oder Hinterlist Besorgung träget, der runde Klotz sich freiwillig unter dem Glaser so geschwinde wegwälzet, daß der arme Kerl mitsamt dem Glase zu Boden schläget und alle Scheiben in etzliche tausend Stücklein zerbricht. Nach diesem Fall hat sich der Mann wieder in die Höhe gericht und zwar nach dem Blocke sich weiter nicht umgesehen, als welcher sich schleunig aus dem Staube gemacht und in etwas anders verwandelt hat, wie wir hernach hören werden. Doch hat selbiger betrübter Glaser bitterlich angefangen zu weinen und seinen Schaden, den er ungefähr erlitten, beseufzet; ja, er ist auch zugleich in etwas mit weiter fortgegangen. Da ist ihm bald der verstellete Rübezahl in eines Menschen und zwar Reisenden Gestalt erschienen, fragende: was er doch so weine und worüber er Leid trage. Drauf hat der befragte Glaser den ganzen Handel von vorne an erzählet. Wie er nämlich allhier auf einem Blocke gesessen, in Willens habend, etwas auszuruhen, da wäre er von solchem mitsamt dem Glase heruntergeschlagen und hätte alles Glas, das ihme wohl acht Taler kostete, zerbrochen; ja, er wüßte nicht, wo er sich wieder erholen sollte und diesen Schaden auswetzen oder ersetzen. Hierauf hat der mitleidende Rübezahl ihme endlich zugeredet, er solle sich zufrieden geben: er wolle selber helfen, daß er in kurzen zu allen Verlust wiederumb gerate und auch wohl noch Profit erhalte. Nämlich, er hat weiter gesagt und den Possen entdecket, daß er es gewesen: als welcher sich zuerste in den Block verwandelt und hernach fortgewälzet hätte. Doch solle er nur guts Muts sein. Er, der Rübezahl, wolle sich ferner in einen Esel verwandlen: solchen sollte der Glaser mit sich führen und unter dem Gebürge einem Müller verkaufen, doch nach überkommenen Gelde sich wieder davonmachen. Was geschicht? In Eile wird Rübezahl in einen Esel verwandelt; drauf setzt er sich, der Glaser, nach überkommene Parol, getrost, reitet solchen vom Gebürge herunter und präsentieret ihn einem Müller, bietet ihn auch feil vor zehen Taler und bekömmt darauf bald neune, weil der Esel dem Müller so sehr Wohlgefallen. Der Glaser aber hat solches Geld ohne Säumung eingestecket und ist seines Weges fortgegangen. Was den Calvinischen oder reformierten Esel weiter belanget, so ist solcher damaln in einem Stall getan oder gesperret worden, in welchem des Müllers Knecht ihn hernach besuchet und Heu zu fressen vorgeleget; darzu er auf bileamsche Eselsweise angefangen zu reden und gesprochen: Ich fresse kein Heu, sondern lauter Gebratens und Gebackens. Wie der Knappe diesen eruditum Asinum so ungewöhnlich apulesieren mit Bestürzung gehöret, ist er flugs davongelaufen, als wie ihm der Kopf und der Arsch brannte und hat seinem Herrn diese neue Post gebracht, daß er einen sprachkündigen Esel hätte. Solches nimmt den Müller auch nunmehr Wunder und eilet flugs zum Stalle, zu dem Gesellen, zuzuhören. Aber sobald er aufstehet, ist er verschwunden, und hat den guten Müller umb neun Taler betrogen; doch welcher zuvor vielleicht anderen Leuten so viel Werts Mehl abgestohlen hat. Hat also der Rübezahl hierinnen Abrechnung gehalten.

Quelle: Bekannte und unbekannte Historien von Rübezahl, Johannes Praetorius, 1920, S. 78ff
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