DIE WALLFAHRTSKIRCHE ZU HOCHKIRCH UND IHR MARIENBILD

Hochkirch, drei Viertelmeilen südöstlich von Glogau, ward in früheren Jahrhunderten, wo es zum benachbarten Gräditz gehörte, Hohenkirchen offen Berge genannt. Es hat eine Wallfahrtskirche mit 1856 neugebautem Turme und ein wunderbares Marienbild auf dem Hochaltare, zu dem von weit her aus Schlesien und Polen gewallfahrtet wird. Die größten Wallfahrten finden statt am Sonntage Trinitatis, wo auch eine Prozession von der Probstei Seitsch aus dem Guhrauschen ankommt, und dann am Feste Maria Geburt.

An die Kirche und das darin befindliche Muttergottesbild knüpft sich folgende Sage:

Als die Kirche vor uralten Zeiten erbaut werden sollte, hatte der Gutsherr eine andere Anhöhe in der Nähe derjenigen, auf der heute die Kirche steht, als Platz dazu bestimmt. Fromme Spenden waren zu ihrer Erbauung reichlich eingegangen, und der Gutsherr lieferte das Bauholz. Er ließ dieses auf die von ihm ausersehene Anhöhe schaffen. Die Geistlichen des Sprengeis wünschten sie zwar dort nicht, aber sie fügten sich, als der Gutsherr außer dem Bauholze noch reiche Gaben versprach. Dennoch kam es anders, denn es trat ein seltsames Ereignis ein.

Am andern Morgen nämlich war das Holz von der Anhöhe verschwunden. Erst dachte man an einen Raubfrevel, aber man fand das gesamte Holz in bester Vollständigkeit und Ordnung auf einem benachbarten Hügel. Der Gutsherr hielt dies für einen mutwilligen Streich und ließ das Holz auf den früheren Platz zurückschaffen und noch mehr dazubringen. Am andern Morgen war es wieder fort und lag wieder auf jenem ändern Hügel. Das brachte eine große Bewegung in der Gemeinde hervor, und viele gingen zum Gutsherrn und erklärten, das gehe nicht mit richtigen Dingen zu und sei ein Wunder, das etwas zu bedeuten habe. Aber der Gutsherr ließ sich von seinem Vorhaben nicht abbringen, er wolle doch sehen, meinte er, ob das Holz zum dritten Male seinen Platz verändern werde. Der Herr ließ von seinen Leuten das Holz wieder zurückschaffen. Für die Nacht stellte er zwei Wächter daneben auf. Doch wieder lag es am nächsten Morgen auf dem ändern Berge. Die Wächter hatten nichts bemerkt und sagten aus, ein unwiderstehlicher Schlaf habe sie befallen. Nun stürmten alle auf den Gutsherrn ein, er möge doch gestatten, daß die Kirche dort gebaut werde, wohin schon in dreien Nächten das Bauholz von unsichtbaren Händen geschafft worden sei; es sei sicher Gottes Wille so. Da sagte der Gutsherr: „Nun in Gottes Namen, baut dorthin die Kirche zu seiner Ehre." Mit Jubel ward diese Entscheidung aufgenommen, und der Bau ward behende in Angriff genommen, schien es doch allen ein heilig Werk. Die Teilnahme für das Gotteshaus wuchs weit über den Sprengel hinaus. Die Kirche war fertig, auch die innere Ausschmückung war fast vollendet. Aber noch fehlte ein würdiges Bild für den Hauptaltar. Da griff wiederum eine wunderbare Macht ein.

In einer Nacht, als alle Einwohner Hochkirchs längst schliefen, rief der Wächter eben die Mitternachtsstunde aus. Zufällig schweifte sein Blick nach der Höhe hinauf, wo die Kirche stand. Wunderbar! Das Innere des Gotteshauses strahlte in hellem Lichterglanz. Es war keine Feuersbrunst, aber dennoch rief er die Bewohner aus ihrem Schlafe. Staunend scharte sich die ganze Gemeinde zusammen und wie zur ersten Wallfahrt geordnet schritt sie dem neuen Gotteshause entgegen. Schon war die Menge bis zum Fuße der Anhöhe gelangt, da ereignete sich ein zweites Wunder. Herrliche Töne erklangen aus der Kirche, bald schmelzend und bald brausend wie im vollen Chor, Posaunen und Orgelton und Priestergesang dazwischen, über dem ganzen schwebend aber ein Klang wie von Engelsharmonien. Wer waren die nächtlichen Musiker dort oben? Die Gemeinde sank am Fuße des Hügels auf ihre Knie und wohnte dem Gottesdienste dort oben in andächtiger Ferne bei. Das war das erste Hochamt, ehe noch das Gotteshaus die kirchliche Weihe erhalten hatte. Plötzlich erloschen Licht und Gesang; stumm und finster lag das Gebäude wieder auf seiner einsamen Höhe. Tief ergriffen aber kehrten die Leute zurück; was sich da oben zugetragen hatte, war ihnen ein unerklärliches Rätsel. Als aber der Morgen anbrach, sendete der Gutsherr den Gemeindevorstand in die Kirche, um den Ursachen des nächtlichen Geschehnisses nachzuspüren. Ganze Scharen von Menschen schlössen sich an, und als die Türe der Kirche geöffnet wurde und die Blicke auf den Hochaltar fielen, da prangte dort ein Bild der Mutter Gottes in schönster Farbenpracht. Das Staunen löste sich in ein still Gebet auf, das der wunderbaren Macht den heißen Dank der Gemeinde aussprach für die herrliche Gabe.


Quelle: Sagen aus Schlesien, Herausgegeben von Oskar Kobel, Nr. 23