DIE HALB GEFÜLLTE FLASCHE

Als die Schweden einmal hier im Lande waren und die Unsrigen gerade eine Schlacht gewonnen hatten, bekam ein gemeiner Soldat einen Wachposten auf dem Schlachtfeld. Mit Mühe hatte er für seinen brennenden Durst nur eine Flasche Bier erhalten. Eben als er sie an seinen Mund setzte, hörte er neben sich die Stimme eines Schweden, dem beide Beine abgeschossen waren und der flehentlich um einen Labetrunk bat.

Mitleidig ging der Soldat zu ihm und beugte sich über den Verwundeten, um ihm die Flasche zu reichen. Aber der tückische Schwede ergriff seine Pistole und feuerte sie auf seinen Wohltäter ab in der Hoffnung, sich noch zu rächen und zugleich in den Besitz der ganzen Flasche zu kommen. Doch glücklicherweise ging der Schuss fehl. Ruhig griff der Soldat nach seiner Flasche, trank sie halb aus und reichte sie dann dem Sterbenden: "Da, du Schlingel! Nun kriegst du sie nur halb!"

Als der König dies erfuhr, ließ er den Soldaten kommen und gab ihm ein Wappen, darin eine halb gefüllte Flasche stand. Des Soldaten Urenkel wohnen noch in Flensburg und führen noch heute dieses Zeichen.


Quelle: Neuausgabe von Otto Mensing, 1921