Junker Jörg
Nach der Zeit ward ein Mann abends auf die Wartburg gebracht; da wohnten
schon keine Landgrafen mehr droben, sondern ein Hauptmann und Amtmann,
der hieß Hans von Berlepsch, und der mit ihm den gefangenen Mann
brachte, hieß Burkhard Hund von Wengkheim, der hatte seinen Burgsitz
auf dem Altenstein jenseits des Thüringer Waldes, war aber des Kurfürsten
zu Sachsen Amtmann zu Gotha. Die hatten Befehl von ihrem gemeinschaftlichen
Herrn, dem Kurfürsten, erhalten, einen Mann, der von Möhra her
über den Wald beim Altenstein die Straße nach Sachsen ziehen
werde, mitten im Walde aufzuheben, um ihn wohlbewacht, doch ungefährdet
auf die Wartburg zu bringen und denselben dort gut zu halten und zu pflegen,
auch statt des mönchischen Gewandes, das selbiger Mann trug, ihm
ein ritterlich Gewand und ein Schwert zu geben. Und sollte der gefangene
Mann sich nennen Junker Jörg, weil er ritterlich stritt gegen den
Drachen der Pfaffenverblendung, welche den Menschen so vielen Mißtrost
gaben, wie jener Papst Urban dem armen Ritter Tannhäuser und jene
Predigermönche zu Eisenach dem freudigen Landgrafen. Und tat Junker
Jörg droben auf der Wartburg die größte Rittertat des
Geistes, die je (außer Christus) ein Mann getan, er übertrug
das Wort Gottes, das alleinige Wort des Heils, die Bibel, in die deutsche
Sprache. Solche Arbeit ärgerte und verdroß den Teufel gewaltiglich,
und er umsumsete und umbrumsete den gelahrten Ritter und Doktor gar arg
und wollt ihn irre machen, ließ ihm auch des Nachts keine Ruhe,
sondern rasselte und rappelte in den Nüssen, die der Doktor in einem
Sack unterm Bette hatte, polterte auch auf dem Boden und auf dem schmalen
Gang im Ritterhause, vor der Zelle, herum, aber der Doktor sprach bloß:
Bist du's, so sei es! - Aber endlich hat doch einmal der Doktor aus Zorn,
als er wieder recht eifrig arbeitete und der Teufel in Gestalt einer Hummel
oder Hurnauspe recht eifrig um ihn herumsumsete, das Tintenfaß genommen
und es nach ihm geworfen, daß ein großer Tintenfleck an der
Wand worden, und von da ab hat ihn der Teufel auf Wartburg in Ruhe gelassen.
Der Fleck ist aber zum Andenken geblieben, und wenn die Wand überstrichen
worden, ist er wieder zum Vorschein gekommen, und endlich hat jeder, der's
gesehen, davon ein Bröcklein zum Wahrzeichen mit sich davontragen
wollen, da hat es freilich verschwinden müssen, und ist jetzt eher
ein Loch in der Wand als ein Fleck.
Quelle: Ludwig Bechstein,
Deutsches Sagenbuch, Leipzig 1853