Wie Reinhardsbrunn geschirmt ward

Der eiserne Landgraf hinterließ einen ältesten Sohn, wieder Ludwig geheißen, außer diesem noch drei Söhne, Hermann, Friedrich, Heinrich, und eine Tochter Jutta. Ludwigs, des jungen Landgrafen, Gemüt war wieder mild und gütig, wie das seines Vaters zuvor auch gewesen war, ehe es der Menschen Schlechtigkeit und Gewalttaten kennenlernte, desgleichen fromm und freigebig gegen die Klöster. Er wohnte zumeist auf Wartburg und zog hernach mit Kaiser Friedrich in das Land Apulia. In dieser Zeit begann ein Herr von Salza auf dem Altenberge, der im Klostergebiet von Reinhardsbrunn lag, eine Burgfriede und Kemnate aufzubauen. Da nun der Landgraf wieder heimkam, klagte ihm solches der Abt von Reinhardsbrunn an einem Sonnabend. Da sandte der Landgraf Boten an die nächsten Vasallen und Dienstmannen, und am Sonntage früh war er schon mit Rittern und Reisigen in dem Kloster, hörten dort eine Messe. Dann gebot der Landgraf dem Abt, nicht eher das Hochamt zu beginnen, bis er mit den Seinigen zurück sei. Dann durchritt er mit seinem Haufen, der mit Sturmgerät wohl versehen war, die schweigenden Forste still hinauf zum Altenberge, darauf die neue Burg stand und der Herr von Salza ruhig saß. Bevor er nur an Arges dachte, war seine Burg berannt und eingenommen; er selbst wurde mit den Seinen als Gefangener nach Reinhardsbrunn geführt, wo nun das Hochamt begann, und mußte vor dem Kruzifix hergehen und Urfehde schwören auf ewige Zeiten. Am nächsten Tag ward die Burg bis auf den Grund zerstört und abgebrochen, und Holz und Steine wurde dem Kloster zuteil. Dort hatten die Mönche noch eine Klage. Sie hatten ein Fuder Wein in Würzburg gekauft, allwo der beste wuchs, aber im Herausführen nach dem Thüringer Walde hatte ein fränkischer Ritter, der nicht weit von der Straße saß, Wein und Wagen und die sechs Pferde an sich genommen, dieweil ihn auch durstete. Als das dem Landgrafen geklagt ward, ließ er dem Ritter um die Rückgabe schreiben, das deuchte dem spöttlich, was kümmerte ihn der Thüringer Landgraf und seine durstigen Mönche! Aber eines schönen Morgens wehten die thüringischen Fähnlein um die fränkische Ritterburg und war diese umstellt, daß weder Mann noch Maus herein oder hinaus konnte, und der Landgraf war selber da und schwur, der Ritter solle ob zu großen Durststillens im Wein der Remhardsbrunner nun verhungern. Da mußte der Ritter gute Worte geben und sich und seine arme Seele lösen, und der Landgraf ließ ihm kundtun, was er zu tun habe. Im Büßerhemde, wie Kaiser Heinrich IV. zu Canossa, einen Strick um den Hals, ein blankes Schwert gegen seine Kehle haltend mußte der Ritter vor den Landgrafen treten und um Gnade und Leben flehen. Den Wagen mußte er herausgeben und die Pferde und den Wein, mußt' es auch alles selbst nach Reinhardsbrunn fahren und geleiten lassen, dann durfte er sein Leben und seine Burg behalten und zusehen, wie er auf andere Weise wieder zu Wein gelangte.

Quelle: Ludwig Bechstein, Deutsches Sagenbuch, Leipzig 1853