Der herumziehende Jäger

Es trug sich zu, daß in einem großen Walde der Förster, welcher die Aufsicht darüber führte, totgeschossen wurde. Der Edelmann, dem der Wald gehörte, gab einem andern den Dienst, aber dem widerfuhr ein gleiches, und so noch einigen, die aufeinanderfolgten, bis sich niemand mehr fand, der den gefährlichen Wald übernehmen wollte. Sobald nämlich der neue Förster hineintrat, hörte man ganz in der Ferne einen Schuß fallen, und gleich auch streckte eine mitten auf die Stirn treffende Kugel ihn nieder; es war aber keine Spur ausfindig zu machen, woher und von wem sie kam.

Gleichwohl meldete sich nach ein paar Jahren ein herumziehender Jäger wieder um den Dienst. Der Edelmann verbarg ihm nicht, was geschehen war, und setzte noch ausdrücklich hinzu, so lieb es ihm wäre, den Wald wieder unter Aufsicht zu wissen, könnte er ihm doch selbst nicht zu dem gefährlichen Amte raten. Der Jäger antwortete zuversichtlich, er wolle sich vor dem unsichtbaren Scharfschützen schon Rat schaffen, und übernahm den Wald. Andern Tags, als er, von mehreren begleitet, zuerst hineingeführt wurde, hörte man, wie er eintrat, schon in der Ferne den Schuß fallen. Alsbald warf der Jäger seinen Hut in die Höhe, der dann, von einer Kugel getroffen, wieder herabfiel. »Nun«, sprach er, »ist aber die Reihe an mir«, lud seine Büchse und schoß sie mit den Worten: »Die Kugel bringt die Antwort!« in die Luft. Darauf bat er seine Gefährten, mitzugehen und den Täter zu suchen. Nach langem Herumstreifen fanden sie endlich in einer an dem gegenseitigen Ende des Waldes gelegenen Mühle den Müller tot und von der Kugel des Jägers auf die Stirn getroffen.

Dieser herumziehende Jäger blieb noch einige Zeit in Diensten des Edelmanns, doch weil er das Wild festbannen und die Feldhühner aus der Tasche fliegen lassen konnte, auch in ganz unglaublicher Entfernung immer sicher traf und andere dergleichen unbegreifliche Kunststücke verstand, so bekam der Edelmann eine Art Grausen vor ihm und entließ ihn bei einem schicklichen Vorwande aus seinem Dienst.

Kommentar: Mündlich aus Paderborn und Münster.
Quelle: Deutsche Sagen, Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Brüder Grimm), Kassel 1816/18, Nr. 257