Die Wechselbälge im Wasser


Bei Halberstadt hatte ein Bauer einen Kielkropf, der seine Mutter und fünf Muhmen ausgesogen, dabei unmäßig gegessen hatte (denn sie essen mehr als zehn andere Kinder) und sich so angestellt, daß sie seiner gar müd geworden. Es ward ihm der Rat gegeben, er solle das Kind zur Wallfahrt gen Heckelstadt zur Jungfrau Maria geloben und daselbst wiegen lassen. Diesem Rat folgte der gute Bauer, setzte es in einen Rückkorb und trug es hin. Wie er aber über ein Wasser geht und auf der Brücke ist, ruft's unten im Wasser: »Kielkropf! Kielkropf!« da antwortete das Kind in dem Korbe, das niemals zuvor ein Wort geredet hatte: »Ho! Ho!« Dessen war der Bauer ungewohnt und sehr erschrocken. Darauf fragte der Teufel im Wasser ferner: »Wo willt du hin?« Der Kielkropf oben antwortete: »Ick well gen Heckelstadt to unser Leven Fruggen:

mik laten wigen
dat ick möge gedigen (gedeihen).«

Wie der Bauer hörte, daß der Wechselbalg ordentlich reden konnte, ward er zornig und warf ihn samt dem Korb ins Wasser. Da sind die zwei Teufel zusammengefahren, haben geschrien: »Ho! Ho! Ha!« miteinander gespielt und sich überworfen und sind darnach verschwunden.

Kommentar: Kirchhofs Wendunmuth, V, 314, Nr. 258. Bräuners Curiosit., 9.
Hildebrand: Entdeckung der Zauberei, S. 109. Fischart: Im wilden Teufels Heer. Luthers Tischreden, 105b, 106a.

Quelle: Deutsche Sagen, Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Brüder Grimm), Kassel 1816/18, Nr. 82