Das Schauen auf die Kinder
Ein glaubwürdiger Bürger aus Leipzig erzählte:
Als sein erstes Kind schon etliche Wochen alt gewesen, habe man es zu
drei unterschiedlichen Nächten in der Wiege aufgedeckt und in der
Quer liegend gefunden, da doch die Wiege hart vor dem Wochenbette der
Mutter gestanden. Der Vater nahm sich also vor, in der vierten Nacht aufzubleiben
und auf sein Kind gute Acht zu haben. Er harrte eine lange Weile und wachte
stetig bis nach Mitternacht, da war dem Kinde noch nichts begegnet, deswegen,
weil er es selber betrachtet und angeschauet hatte. Aber indem fielen
ihm die Augen ein wenig zu, und als die Mutter kurz darauf erwachte und
sich umsah, war das Kind wieder in die Quer gezogen und das Deckbett von
der Wiege mitten über ihr Bett geworfen, da sie es sonsten nur immer
aufzuschlagen und zu Füßen des Kinds in der Wiege zu legen
pflegen, nach allgemeinem Gebrauche. Denke einer, in so geschwinder Eile,
daß sich alle verwundern mußten. Aber weiter hatte das Ungetüm
keine Macht zum Kinde gehabt.
Kommentar: Prätor.:
Weltbeschreibung, I, 124.
Quelle: Deutsche Sagen, Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Brüder Grimm),
Kassel 1816/18, Nr. 88.