Tanz mit dem Wassermann
Zu Laibach hat in dem gleichbenannten Fluß
ein Wassergeist gewohnt, den man den Nix oder Wassermann hieß. Er
hat sich sowohl bei Nacht den Fischern und Schiffleuten als bei Tag andern
gezeigt, daß jedermann zu erzählen wußte, wie er aus
dem Wasser hervorgestiegen sei und in menschlicher Gestalt sich habe sehen
lassen. Im Jahre 1547 am ersten Sonntag im Julius kam nach alter Sitte
zu Laibach auf dem alten Markt bei dem Brunnen, der durch eine dabeistehende
schöne Linde lustig beschattet war, die ganze Nachbarschaft zusammen.
Sie verzehrten in freundlicher und nachbarlicher Vertraulichkeit bei klingendem
Spiel ihr Mahl und huben darauf mit dem Tanze an. Nach einer Weil trat
ein schöngestalter, wohlgekleideter Jüngling herzu, gleich als
wollte er an dem Reigen teilnehmen. Er grüßte die ganze Versammlung
höflich und bot jedem Anwesenden freundlich die Hand, welche aber
ganz weich und eiskalt war und bei der Berührung jedem ein seltsames
Grauen erregte. Hernach zog er ein wohlaufgeschmücktes und schöngebildetes,
aber frisches und freches Mägdlein von leichtfertigem Wandel, das
Ursula Schäferin hieß, zum Tanze auf, die sich in seine Weise
auch meisterlich zu fügen und in alle lustige Possen zu schicken
wußte. Nachdem sie eine Zeitlang miteinander wild getanzt, schweiften
sie von dem Platz, der den Reigen zu umschränken pflegte, immer weiter
aus, von jenem Lindenbaum nach dem Sitticher Hofe zu, daran vorbei, bis
zu der Laibach, wo er in Gegenwart vieler Schiffleute mit ihr hineinsprang,
und beide vor ihren Augen verschwanden.
Der Lindenbaum stand bis ins Jahr 1638, wo er altershalben umgehauen werden mußte.
Kommentar: Valvassor: Ehre von Crain, Bd. 2 u.
Bd. 15, Kap. 19.
Quelle: Deutsche Sagen, Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Brüder Grimm),
Kassel 1816/18, Nr. 51