Anichen bei Gossensaß

Die Täler von Gschnitz und Pflersch waren einst - besonders das letztere - reich an Bergwerken, wovon sich die Nachkommen nicht genug zu erzählen wissen, besonders von den Silbergruben. Und all den Reichtum deckte ihnen ein Mann der dortigen Gegend mit einer so wunderkräftigen Wünschelrute auf, daß auch der verborgenste und tiefste Schatz damit gefunden werden konnte. Er wohnte zu Anichen, und die Knappen wurden so reich, daß sie manchmal mit Trommeln und Pfeifen zum Gottesdienst nach Gossensaß zogen und allda vor 400 Jahren die Kirche zum heiligen Anton stifteten. Sie stellten als Wahrzeichen auf einen Altar einen Heiligen mit einem Hammer in der einen und einer Erzstufe in der anderen Hand hin, der jetzt noch dort steht. Das Altarblatt selbst zeigt die heilige Barbara - die Schutzpatronin der Tiroler Bergknappen. Als der Mann sein Ende nahen fühlte, ging er auf die Spitze des riesengroßen Tribulaun, der gar ernst und dunkel zwischen den Gschnitz- und Pflerschtälern emporsteigt und von allen Seiten isoliert bei Anichen sich mit der Weißspitze schön zeigt, vergrub seine Wünschelrute und verschied. Und als man ihn am andern Tag eingraben wollte, war er mit Haut und Haar verschwunden.

nach Alpenburg/Alpen 1861 Nr. 316 S. 299; dan.: Kuthmayer/Alpen 1934 Nr. 130 S. 188 f.; entspr.: Paulin/ Südtirol 1937 S. 95 f. - Heilfurth Nr. 28 S. 238 f.
Aus: Gerhard Heilfurth, Südtiroler Sagen aus der Welt des Bergbaus, An der Etsch und im Gebirge, 25. Bändchen, Brixen 1968, Nr. 1, S. 12