St. Martin im Gadertal

Bei Lorenzen im Pustertal führt der Weg ins Ennebergtal der Gader entlang in 3 Stunden nach St. Martin, einem Weiler von fünf Häusern. Dieser Weiler wurde im Jahre 1494 zu bauen begonnen und steht auf den Trümmern eines Dorfes, welches einst reich geworden war durch unermeßlichen Bergsegen, besonders durch einen höchst ergiebigen Eisenbau, welcher das kostbarste Eisen lieferte, das so teuer bezahlt wurde, daß es mehr eintrug als alle anderen Erzbauten. Solches Eisen wird nie mehr gefunden, nur die Knappenlöcher sieht man überall. Über dem Glück und dem Reichtum und dem Schmuck ihrer Häuser vernachlässigten die Einwohner ihre Kirche derartig, daß sie wie ein Stall aussah. Ein Pilger stellte die Einwohner deshalb zur Rede; sie trieben ihn fort. Wie er ging, kehrte er sich noch einmal um und schrie: Wehe Euch! - Und bald darauf brausten vom nächsten Berge viele tausend haushohe Felsen herab und überschütteten das schöne, stolze und reiche Knappendorf so sehr, daß keine Maus entrinnen konnte, und füllten endlich das ganze Dorf bis über den Kirchturm völlig zu. Einige Jahre darnach bauten sich mehrere Verwandte der Überschütteten dort an, um an Ort und Stelle für die "armen Seelen" zu beten.

= Alpenburg/Tirol 1857 Nr. 4 S. 242 - Heilfurth Nr. 675 S. 638.
Aus: Gerhard Heilfurth, Südtiroler Sagen aus der Welt des Bergbaus, An der Etsch und im Gebirge, 25. Bändchen, Brixen 1968, Nr. 17, S. 23