DER GLOCKENSCHATZ AUF DER HASELBURG

Auf dem Schloß Kuepach (Haselburg) bei Bozen lebte ein reicher und frommer Ritter, der mit den Kreuzfahrern ins Heilige Land zog. Vorher aber ließ er einen großen Teil seines Goldes einschmelzen und in zwei hohle, kupferne Kugeln gießen, die er dann rechts und links vom Schloßtor als Zierde hinstellte. So, dachte er, werden sie am wenigsten auffallen und wird das Gold sicher sein.

In seiner Abwesenheit kamen zwei Sammelpater, um von der Burgfrau, die im Rufe großer Frömmigkeit und Milde stand, einen Beitrag zur großen Glocke für die Dominikanerkirche in Bozen zu erbitten. Die gute Frau hatte aber keinen überfluß und sagte, ihr Gemahl hätte alles Gold und Silber beiseite geschafft, und sie könne ihnen nichts geben; wenn sie die zwei kupfernen Kugeln am Schloßtor brauchen könnten, die wollte sie ihnen wohl schenken.

Und die Patres nahmen die Kugeln dankbar an. Als nun der Ritter wieder heimgekehrt war, sah er die Kugeln am Tor nicht mehr und stellte seine Gemahlin darüber zur Rede. Diese bekannte, daß sie die Kugeln den Dominikanern geschenkt hätte; es sei ja kein großer Geldeswert daran, und die Brüder hätten sie für den Glockenguß gut brauchen können. Sie würden dafür gewiß seiner im Gebete gedenken.

Allein der Ritter wurde über die Maßen zornig und wollte schon seine Gemahlin zum Fenster hinauswerfen, als in dem Augenblick die neue Glocke bei den Dominikanern geläutet wurde. Ihr Klang war so bezaubernd, daß das Herz des Ritters tief ergriffen wurde und er seine Gattin um Verzeihung bat. Sein Gold und Silber war mit in die Glocke gegossen worden, und sooft er die herrliche Glocke läuten hörte, war es ihm wohl ums Herz, und er lobte seine Gemahlin, daß sie einen so reichen Beitrag zum Glockenguß geliefert hatte.

Quelle: Heyl, Johann Adolf, Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 329 f.