DAS PFUNDERER-BERGWERK BEI KLAUSEN

In grauer Vorzeit kamen alljährlich nach eingetretener Schneeschmelze einige Walchen aus dem Süden in die Gegend von Klausen und machten sich in geheimnisvoller Weise am Tinnebach zu schaffen, von allen gemieden, weil man ihre Sprache nicht verstand und ihrem verborgenen Tun und Treiben mißtraute.

Einst wanderten in früher Morgenstunde zwei Klausner Bürger nach Bozen; da beobachteten sie, wie eine ganze Schar Walchen schwer bepackt vom Villanderer Berg niederstieg und nach dem Süden zog. Ganz hinten kam noch ein verspätetes altes Männlein mit eisgrauem Bart schwer keuchend unter seiner Last nach. Die beiden Klausner erbarmten sich des schwächlichen Alten und erboten sich, ihm seine schwere Last abzunehmen, was das Männlein mit Dank annahm.

Doch die Last wurde auch den kräftigen Klausnern bald zu schwer, und nach einer Stunde Weges setzten sie sich zur Rast. Der Walche bedankte sich gar sehr und schenkte jedem der Männer ein silberglänzendes Erzgestein und bedeutete ihnen, daß sie hievon große Mengen im Tinnebachtal finden würden, wenn sie beobachteten, wohin der Schatten der Säbener Turmspitze am Sonnwendtage zur Zeit des Sonnenaufgangs fällt. Hierauf verschwand das Männlein, und die Walchen wurden nachher in der Klausner Gegend nicht mehr gesehen.

Als man in Bozen das Geschenk des Walchen für ein sehr wertvolles Silbererz erklärte, suchten die beiden Klausner zur nächsten Sonnwendzeit nach dem Schatten der Säbener Kirchturmspitze und fanden ihn an einer steil abfallenden Felswand, Gerstein genannt, im Tinnebachtal. Und in einer Spalte dieser Felswand entdeckten sie einen von den Walchen getriebenen engen Stollen, der weit in den Berg hineinführte und reiches Silbererz enthielt. So wurde das Pfunderer Bergwerk bei Klausen entdeckt.

Quelle: Der Sammler, Beiträge zur tirolischen Heimatkunde. Hrsg. Franz Innerhofer, 5 Bände, Meran 1906/1911. Bd. I, 11/7 f.