DER SCHATZHÜTENDE DRACHE IN VILLANDERS

Auf Villanders in der "Pfleg" ist's schon seit alters her unheimlich, und die Leute wurden hie und da in der Nacht, ja manchmal am hellen Tage, ordentlich erschreckt. Und wenn der Rechte vorüberging, der konnte sogar beobachten, wie die "Wilden Mander" von Zeit zu Zeit zu den Fenstern kamen und herunterglotzten.

Man erzählte sich schon längst, daß da ein Schatz vergraben sei. Endlich sahen die Leute einst am hellen Tage den schatzhütenden Wurm, der einem Drachen ähnlich sah und Mannesdicke hatte, wie er eben dem Stall zueilte und dort hineinglitt. Als sie nun Lärm schlugen, kam der Pfleger selber mit einer Haselrute in der Hand und ging in den Stall hinab, den Wurm auszutreiben.

Dieser wollte lange nicht gehen; als ihm aber der Pfleger mit dem Haselzweig arg zusetzte, verließ er endlich doch den Stall, aber nicht, wie die Schlangen in Windungen fortgleitend, sondern indem er sich kugelnd hinauswälzte, worüber man nicht wenig erstaunt war. Draußen trieb er dem nahen Kirchlein zu, immerfort sich auf dem Boden wälzend. Vor dem Kirchlein tat sich auf einmal ein Stein auf, und der Wurm schlüpfte behende in ein unterirdisches Loch, aus dem es ganz golden hervorstrahlte. Darin lag nämlich der Schatz. Hinter dem Wurm schloß sich der Stein, und der Schatz war für die Oberirdischen wieder auf lange verloren.

Quelle: Heyl, Johann Adolf, Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 156