Der Gliederferner

Im hintersten Pfitscher Tal, dort wo heute der Gliederferner seine gewaltige Eiszunge zu Tale streckt, lag vor Urzeiten eine schöne Alm. Dieselbe war so groß, daß man auf neun Schwaigen käste.

Eines Sommertages, da die Sonne recht unbarmherzig niederbrannte, kam ein fremdes Manndl und bat um etwas Milch. Einer der hochnäsigen Senner schnauzte den Bettler grob an:

"Sorge lieber dafür, daß die unsinnige Hitze etwas abnehme".

Das fremde Manndl machte die Faust in der Tasche, ließ sich jedoch ob der hochmütigen Rede des geizigen Senners nichts anmerken. Scheinheilig stellte es den Almleuten die Frage, ob Regen oder Schnee zur Abkühlung genehm sei.

Barsch wies man ihn aus der Hütte: "Mach was du willst, wenn du glaubst etwas machen zu können. Uns wäre am liebsten, du machtest dich bald aus dem Staube, verdammtes Bettelpack".

Kaum war der Kleine verschwunden, begann es sachte zu schneien und am Morgen war die große Alm samt Menschen und Vieh unter der tiefen Schneeschicht, dem heutigen Gliederferner, begraben.

Quelle: Fink, Hans, Eisacktaler Sagen, Bräuche und Ausdrücke. Schlern-Schrift Nr. 164, Innsbruck 1957, S. 38