HEXENFURCHT

Latzfons ist immer von Hexen arg heimgesucht gewesen. Es sollen zwar damals, als das Latzfonser Kreuz auf die Höhe hinaufgetragen wurde, dorthin nämlich, wo heute die Latzfonser Kreuzkirche steht, die Hexen alle aufgeflogen sein. Noch zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts ging es in vielen Höfen ganz merkwürdig zu. Ein junges Mädchen soll plötzlich, und zwar durch Hexerei, gestorben sein. Von nun an hörten viele Bauern mit ihren Leuten vom Arbeiten auf, lagen herum wie die Ochsen auf der Alm, versperrten die Häuser, gingen in keine Kirche mehr und fluchten nicht zu wenig.

Es lebte im Dorfe ein reicher Mann, der bei allen viel galt. Diesem tat es sehr leid, zusehen zu müssen, wie die Hexenfurcht immer mehr zunahm. In einem gegen Pardell gelegenen Hof wollte man sich gerade den Hexen ergeben. Da ging er in dieses Haus und sagte zum Bauern, wenn er sich nicht augenblicklich zur Arbeit mache, so sei er ihm für Schläge nicht zu hoch. Dann drohte er den Knechten und Mägden und trieb so mit dem Stecken die Hexenfurcht zur Tür hinaus. So ist es hier und nicht lange darauf in den andern Höfen besser geworden.

Quelle: Heyl, Johann Adolf, Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 189