KATHRINL, KATHREINL

Es war einmal ein Mädchen, namens Kathrinl, dessen Eltern waren gestorben, und es kam zu einer alten Base, die eine Hexe war. Bei der mußte das Mädchen kochen, waschen und alle Arbeit tun, während die Hexe aus war. Die Alte war aber böse mit dem Kind, und wenn es etwas übersah, schlug sie es mit ihrem Besen und ließ es fasten. Einmal ging die Hexe fort und befahl dem Mädchen das Hauswesen an; es sollte für sich nichts kochen als einen schwarzen Blenten.

Kathrinl aber dachte sich: "Heut' will ich mir es wohl sein lassen!" und briet sich eine Gans, daß der Wohlgeruch davon durchs ganze Haus trieb. Dann verzehrte es den Braten und hatte auch für den Abend noch daran. Aber als die Gans gegessen war und Kathrinl sich schlafen legte, da konnte es aus Furcht vor der Hexe nicht einschlafen. Und sie ging wieder aus dem Bett und riegelte die Haustür zu. Jetzt kommt die Hexe nicht mehr herein, dachte sie und schlief ein.

Sie hatte schon eine Weile geschlafen, da hörte sie plötzlich die Hexe rufen: "Kathrinl, Kathreinl, ich bin schon bei der Haustür, tu auf!" Kathrinl erschrak und rührte sich nicht. "Kathrinl, Kathreinl", rief es wieder, "ich bin schon auf der Stiege." Das Mädchen schwitzte vor Angst und schloff ganz unters Bett. "Kathrinl, Kathreinl", rief die Hexe zum drittenmal, "ich bin schon vor der Tür." Kathrinl wußte sich nicht mehr zu helfen vor Entsetzen. "Kathrinl, Kathreinl, ich bin schon bei deinem Bett!" rief die Hexe zum letztenmal; da stand sie wirklich vor Kathrinls Bett und zerriß das Mädchen.

Quelle: Heyl, Johann Adolf, Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 186 f.