's Krapfnweibile

Beim Wegscheider in Thuins spielte sich zu Ende des vorigen Jahrhunderts folgende Hexengeschichte ab, die der heute 77jährige Alois Stampfer, ein Sohn obigen Hofes selbst erlebte:

An einem Heiligdreikönigsabend sprach bei seiner Mutter ein "Lotterweibile" (Bettlerin) vor und heischte etwas Milch. Die Bäurin war mit Arbeit überhäuft, hatte keine Milch bei der Hand und reichte der Alten einige Krapfen. Das war allerdings ein großer Fehler: Gibt man nämlich einem Bettler etwas anderes als das, worum er bittet, so bekommt er Gewalt über das Haus.

Und so kam es auch beim Wegscheider. Jeden Samstag abends verschwanden die wohlversperrten Krapfen und niemals war man imstande den Dieb - der niemand anderer sein konnte als das Hexenweibele und niemals etwas anderes mitgehen ließ als eben Krapfen - zu fassen. Die Sache kam einem alten Nachbarn zu Ohren, der das Geheimnis sofort lüftete und durchschaute! Deshalb erteilte er den Buben einen Rat, wie das Hexenweibele, die vermeintliche Diebin, zu fassen wäre.

Es wäre da aus Birkenreisern ein Besen anzufertigen und mit drei Ringen aus "Fehlerwiede" (Bachweide) zu binden. Dieses "Hexenfangmittel" wäre nun nach dem Eintreten des Krapfenweibiles auf die Schwelle des Haustores zu legen und sie würde - nach des Alten Weissagung - nicht mehr imstande sein das Haus zu verlassen.

Gesagt - getan! Als nun am nächsten Samstagabend das Weib das Haus betreten hatte, fand sie beim Weggehen den Besen vor. Sie tat furchtbar aufgeregt, rannte wie eine Besessene hin und her und suchte nervös nach einem Aasweg. Kurzum, sie war die Hexe, man hatte sie entlarvt.

Da geschah aber etwas, was noch nie dagewesen war und womit man nicht gerechnet hatte. Die Hexe nahm in ihrer Verzweiflung einen Anlauf, rannte auf das Haustor zu und setzte mit einem verwegenen Sprung, den man der Alten niemals zugemutet hätte, über das lächerliche, für sie aber so verhängnisvolle Hindernis.

Das gab nun dem alten Nachbarn zu köpfen, das war noch nie dagewesen, das hätte er der Hexe nie zugetraut und da mußte etwas am Besen nicht richtig gemacht gewesen sein. Jedenfalls wüßte er ein ganz sicheres Mittel, das todsicher wirken sollte.

Und er gab den Buben den Auftrag, den Besen anstatt mit gewöhnlichen Weideruten mit solchen aus dem geweihten "Falle" (Palmbesen) zu binden. Das taten die Buben auch und das Hexenweibile mied ab jener Zeit ängstlich den Wegscheiderhof.

Quelle: Fink, Hans, Eisacktaler Sagen, Bräuche und Ausdrücke. Schlern-Schrift Nr. 164, Innsbruck 1957, S. 29