DIE KRÖNLNATTER

In einer Nacht kam ein armer Reisender in die Nähe des Saubaches. Da stand auf einem Hügel eine alte Burg, die dem Wanderer nicht wenig in die Augen stach. "Ha, da find' ich vielleicht ein Nachtlager", dachte er bei sich und eilte dem grauen Gebäude zu. Als er zum Graben kam, wurde die Zugbrücke niedergelassen. Er trat in den Schloßhof, sah jedoch weder einen Hund noch einen Menschen. Forschend ging er die Stiege hinauf und kam in den Rittersaal, wo eine alte, mit Stroh gefüllte Himmelbettstätte zur Ruhe lud. Er legte sich hinein und begann bald zu schlafen. Um Mitternacht wurde er jedoch durch ein Geräusch geweckt. Eine Natter, mit einem wunderschönen Krönlein auf dem Kopfe, schlüpfte zu ihm ins Bett und sah ihn flehend an. Er besann sich nicht lange und nahm ihr das funkelnde Krönlein ab.

Husch, war die Natter verschwunden und eine weiße Frau stand vor ihm, während ein mit Goldmünzen gefüllter Hafen aus der Oberdecke des Zimmers niederstürzte! Sie nahm den Schatz und reichte ihn dem Jüngling mit den Worten: "Empfang hier den Lohn für meine Erlösung! Ich war einst hier Burgwächterin und mußte seit dreihundert Jahren bei dem Schatze umgehen, weil mir so lange niemand das Krönlein vom Haupte nahm. Alsogleich verschwand sie, doch der Fremde war nun ein reicher Herr und der Segen des Himmels ruhte auf dem Golde. (Flaas.)

Quelle: Zingerle, Ignaz Vinzenz, Sagen aus Tirol, 2. Auflage, Innsbruck 1891, Nr. 565, S. 325