DIE KÜHE REDEN AM HEILIGEN ABEND

Daß die Kühe am Heiligen Abend miteinander reden, ist in mehreren Dörfern bekannt. Da ein Zuhörer aber selten etwas Gutes zu Ohren bekommt, meidet man an diesem Tag nach dem Nachtfüttern den Stall. Man wirft etwas mehr Futter als gewöhnlich in den Barren, um das Vieh zu beschwichtigen.

Ein Bauer in Natz aber wollte sich eines Heiligen Abends selbst überzeugen, was seine Kühe zu sagen oder auszusetzen hätten, und schlich nach dem Betläuten heimlich in den Stall.

Um Mitternacht begann wirklich der Diskurs der Tiere. Die eine Kuh meinte, das saure Futter tauge eher für die Pferde, als für eine Kuh. Eine andere kritisierte das Stroh, welches der Bauer, anstatt einzustreuen, unter das Futter warf, und eine dritte hatte auszusetzen, daß von einem "Staub" (Kraftfutter) überhaupt nie etwas zu sehen wäre.

Außerdem, meinten sie, hätten sie allesamt ein Sklavenleben zu führen. Der Bauer, der selbst das ganze Jahr über fütterte, war arg erstaunt. Als er aber noch weiter vernahm, im kommenden Jahr werde der Fütterer sterben, erblaßte er, legte sich hin und starb nach 14 Tagen.

Quelle: Fink, Hans, Eisacktaler Sagen, Bräuche und Ausdrücke. Schlern-Schrift Nr. 164, Innsbruck 1957, S. 171 f.