Das Teufelsloch am Kuntersweg

Der berüchtigte Kuntersweg ist eine gefährlich schluchtenartige Thalenge an der Poststraße von Innsbruck nach Botzen.

Wo die Berge am engsten beisammen stehen, erblickt man hoch oben am kahlen Felsen ein durchgebrochenes Loch, "das Teufelsloch" genannt; unterhalb desselben wurden Kruzifixe und Heiligenbild-Tafeln an die Wand geheftet, die als Erinnerung des Unglücks mancher Menschenseele und zugleich als Christentrost und Gebetmahnung dienen.

Einst war hier ein Fuhrmann bei schlechtem Weg und Wetter in große Verlegenheit gerathen. Die Wagenräder staken unbeweglich im grundlosen Moraste. Ein Peitschenhieb um den andern flog vergebens auf die schweißtriefenden Pferde; vergebens versuchte der Fuhrmann mit Winden und Hebeln zu helfen. In dieser verzweifelten Lage rief er unter furchtbaren Flüchen den Teufel an, und siehe da, ein vornehm in Grün gekleideter Herr mit langen Stiefeln stand plötzlich neben jenem, seine Hülfe anbietend. Der ob dieser unerwarteten Erscheinung anfangs betroffene Fuhrmann sprach:

gut, ich nehme Dein Erbieten an!

Doch aber nicht umsonst, - erinnerte der seltsame Fremdling. Willst Du mir ein Stück von Deinem Leben dafür geben? -

Nach einigem Nachdenken willigte jener ein. Kaum hatte der unheimliche grüne Mann einige unverständliche Worte gemurmelt, so rollte der schwere Lastwagen so leicht und schnell von dannen, als ging es über eine Tenne. Der Fuhrmann ward nun zur vertragsmäßigen Leistung aufgefordert. Flugs schnitt dieser ein Stück von einem seiner überlangen Fingernägel ab, und reichte es seinem Nothhelfer dar. Jetzt verwandelte der überlistete Teufel voll Ingrimm seine Gestalt, und schoß als ein scheußliches Ungethüm, ungefähr wie ein feuriger, riesiger Molch, mit wildem Gezische unter Blitz und Donner, daß die Berge dröhnten, durch die blanke Felsenwand. Daher das von jedem, der die Sage kennt, mit Grauen betrachtete Felsenloch, insgemein das Teufelsloch genannt. Ohne Zweifel wurden, um allfällige diabolische Nachwirkungen von dieser Stelle zu entfernen, in der Folge jene heiligen Zeichen dorthin geheftet, und der Weg erhielt von dem höllischen Kunter, das dem Fuhrmann erschien, vermuthlich seinen unheimlichen Namen.


Quelle: Mythen und Sagen Tirols, gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Zürich 1857, S. 282, Nr. 11