DIE PITSCHEFURTER EBENE IN VILLNÖß

Zuhinterst in Villnöß gegen die Geislerspitzen zu führt der Weg auf die Zanser-Alm über eine Lichtung, die Pitschefurter Ebene. Vor langer, langer Zeit hatte der Unterkantioler in St. Magdalena einen Traum, daß daselbst ein großer Schatz vergraben sei, und er wußte genau die Stelle, wo er im Traume denselben gesehen hatte. Dies erzählte er seinem Nachbarn, dem Oberkantioler, und beide beschlossen, in der nächsten Nacht den Schatz zu heben.

Und wirklich hoben sie glücklich einen unermeßlich reichen Schatz von Gold und Edelsteinen, wie ihn nur die Bergmännlein der Geislerspitzen einstens zusammenbringen konnten. Sie trugen den Schatz zum Oberkantioler; aber obwohl sie ausgemacht hatten, halb und halb zu teilen, wollte der Oberkantioler die größere Hälfte haben, weil die Pitschefurter Ebene zu seinem Grund und Boden gehöre.

Der Unterkantioler aber sagte, er hätte den Traum gehabt, sonst hätten sie den Schatz nicht gefunden. Darüber kamen sie in Streit und wurden sich grimmig feind. Als es aber Tag wurde, war der Schatz verschwunden. Bald darauf starb der Oberkantioler, der den Streit angefangen hatte. Wer nicht muß, geht seitdem nie mehr bei Nacht über die Pitschefurter Ebene, denn dort ist es seit jener Zeit unheimlich.

Quelle: Der Sammler, Beiträge zur tirolischen Heimatkunde. Hrsg. Franz Innerhofer, 5 Bände, Meran 1906/1911. Bd. I, S. 2/20 f.