DAS GESPENST BEI SCHABS

Einst fuhr der alte Hammerschmied aus Mühlbach von Brixen herauf, seiner Heimat zu. Der Weg führte ihn durch den Schabser Wald, wo es von jeher unheimlich ist. Und es war Nacht geworden, als er in den Wald gelangte. Da stand plötzlich auf der Bergseite des Weges eine schwarze Gestalt ohne Kopf. Der Hammerschmied, der nicht auf Schreckbühel daheim war, rief das Gespenst an, aber es erfolgte keine Antwort. Zum zweitenmale angerufen, blieb der kopflose Mann ebenso stumm wie vorher. "Zum Teufel", rief der Hammerschmied, "gib Antwort! Wer bist du, was machst du da?"

Da stand das schwarze Gespenst plötzlich vor den Rossen, hob drohend die Arme empor und wuchs riesengroß in die Höhe. Die Rosse bäumten sich in gewaltigem Schrecken, zerrten an den Strängen, und laut krachte die Deichsel. Da vermeinte der Hammerschmied, in solcher Lage wäre ein christliches Zeichen am besten, und er tat mit der langen Peitsche einen Kreuzhieb über die Rosse. Da polterte und krachte es, die Gestalt entschwand, und die Pferde zogen an und rannten die Straße dahin, daß der Wagen mehr als einmal in der Luft flog.

Der Hammerschmied sah von Stund an keinen Streich mehr, saß eine lange Nacht im Wagen und mußte den Weg seinen Rossen überlassen. Erst, als es in Schabs betläutete, bekam er sein Gesicht wieder und hielten die Pferde ermattet inne; da hatte er aber auch keinen weiteren Weg zurückgelegt, als durch den Wald bis zum Dorf. Er schwor hoch und teuer, bei Nacht sein Lebtag nimmer durch den Schabser Wald zu fahren. Er war aber nicht der einzige und letzte, der diesem Spuk unterkam, denn vor und nach ihm sind bei Nacht im Schabser Wald noch viele andere irre gegangen und haben sich beim Aveläuten am Morgen wieder gerade an der Stelle befunden, wo sie der Spuk ereilt hatte.

Quelle: Heyl, Johann Adolf, Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 583