Der Schatz auf Straßberg

Anstelle der Ruinen von Straßberg bei Gossensaß stand bis zum Aussterben der Freundsberger um 1570 eine starke Burg mit festen Mauern, 2 Fallbrücken, einem kleinen Weiher und einer bereits 1313 erwähnten, der hl. Barbara geweihten Schloßkapelle. Seit 1600 bewohnen Bauern die ehemalige Feste. -

Es gab Zeiten, wo es auf Straßberg so unruhig war, daß es niemand mehr wagte, dort über Nacht zu bleiben. Es fand aber der Bauer dennoch eine Dirn, die behauptete, weder vor dem Tod noch vor dem Teufel Angst zu haben und alleine in der Burg zu schlafen.

Eines Tages kam sie jedoch nach Gossensaß zum Pfarrer, um sich einen Rat zu holen. Es käme nämlich jede Nacht ein Weib in ihr Gemach, trüge ein Licht und deute ihr zu folgen.

Der Priester hatte Erfahrung in solchen Dingen und riet dem Mädchen folgendes: wenn es nicht Angst und ein reines Gewissen hätte, möchte es ruhig der Frau folgen. Jedoch dürfte sie nie deren Befehlen gehorchen, insbesondere aber nie derselben vorausgehen.

In der folgenden Nacht erschien nun tatsächlich der übliche Geist und befahl dem Mädchen in den Keller hinabzusteigen. Die Dirn war der Worte des Pfarrers eingedenk und weigerte sich entschieden. Erst als die Fremde voranschritt, folgte sie derselben die Stufen hinab. Im Keller angelangt, versuchte die Frau ihr eine Schaufel in die Hand zu drücken. Sie sollte da ein Loch aufwerfen und eine Kiste, die zum Vorschein kommen müsse, herausheben.

Die Dirn rührte sich jedoch nicht und meinte, sie hätte da nichts verloren. Seelen-ruhig schaute sie der Frau zu, wie dieselbe die angekündigte eiserne Kiste ans Licht brachte. Sie lüftete ein wenig den Deckel derselben und ließ das Mädchen einen kurzen Blick hineinwerfen. Lauter pure Goldstücke waren deren Inhalt. Damit glaubte der Geist die Dirn gewonnen zu haben. Deshalb lud sie dieselbe ein, die Kiste aufzuheben und die Stiege hinaufzutragen. Als das Mädchen immer noch nichts dergleichen tat, blieb ihr nichts anderes übrig, als selbst Hand anzulegen und sie brachte den Schatz in die Schlafkammer des Mädchens.

Dort angekommen, erteilte die Frau demselben die Bewilligung, vom Golde soviel herauszunehmen, als sie eben wollte. Schon wollte das Kind zugreifen, als ihr nochmals des Pfarrers Mahnungen ins Gedächtnis kamen. Sie zog die Hände zurück und schüttelte ihr blondes Köpfchen.

Da tat es einen gewaltigen Krach, Donner und Blitze fuhren nieder und das Licht verlöschte. Die erschrockene Dirn schlug ein Kreuzzeichen über Stirne, Mund und Brust und sah im selbigen Moment eine hellerstrahlende Gestalt in ihrer elenden Kammer. Dieselbe dankte dem Mädchen für ihre Erlösung und ließ ihm den reichen Schatz zurück.

Quelle: Fink, Hans, Eisacktaler Sagen, Bräuche und Ausdrücke. Schlern-Schrift Nr. 164, Innsbruck 1957, S. 27 f.