DIE THEISER GROßE

Mit seinen 67 Metern Höhe kann der schlanke Theiser Kirchturm als ein würdiger Glockenturm angesprochen werden, der dem Dorfe alle Ehre macht.

Im 16. Jahrhundert wurde auf dem Theiser Turm ein herrliches Geläute aufgezogen. In der ganzen Runde beneidete man die Theiser um den melodischen Klang ihrer Glocken. Die Gufidauner aber fühlten sich als Inhaber des Gerichtes und Pflegeamtes den Theisern haushoch überlegen und deshalb waren sie ihnen um die 32 Zentner schwere Große neidig und verlangten sie eines Tages ab.

Mit sechs Paar Ochsen war man nach harter Mühe imstande, die Glocke vom Friedhof bis zum Wirtsplatzl zu bringen, weiter aber ging es beim besten Willen nicht mehr. Allen Bemühungen der Gufidauner zum Trutz begann die Glocke nun zu reden, und ihre eherne Stimme erklang:

"Anna-Maria hoaß i,
alle Wetter woaß i,
alle Wetter vertreib i
und im Theiser Turm da bleib i."

Da gaben die Gufidauner ihre Bemühungen auf. Mit Leichtigkeit brachten die Theiser ihre "Große" den kurzen, aber steilen Weg zum Friedhof wieder hinauf. - Fast wie eine Sage klingt auch die Tat der Theiser Frauen, welche die Große im Ersten Weltkrieg in eine Jauchegrube versenkten, um sie vor der geplanten Ablieferung zu retten, Im ganzen Dorfe fand sich kein Verräter, und selbst die hochpeinlichsten Verhöre konnten den Mitwissern das Geheimnis nicht entreißen.

Quelle: Fink, Hans, Eisacktaler Sagen, Bräuche und Ausdrücke. Schlern-Schrift Nr. 164, Innsbruck 1957, S. 242 f.