Der Witwenbrunnen

Wie vielerorts in unserer Heimat wurde auch am Telfeser Berg nach Erz geschürft. Die Spuren solcher Tätigkeit sind noch heute am Ochsenberg ersichtlich.

Die Telfeser Knappen wurden aber ob ihres guten Verdienstes übermütig und begannen großen Unfug zu treiben. Eines Tages fingen sie einen Ochsen. Sie zogen ihm bei lebendigem Leibe die Haut ab, rieben ihn mit Salz ein und brieten ihn am Spieße. Darauf stiegen sie ein.

Die Strafe Gottes für die ruchlose Tat erfolgte noch am selben Tag. Der Stollen stürzte zusammen und begrub sie samt und sonders unter seinen Trümmern.

Ein Telfeser Bauer hatte das Unglück bemerkt und er ging den Frauen der Bergleute entgegen. Er wußte nämlich, daß dieselben mit dem Mittagessen für ihre Männer kommen mußten. Im Telfeser Walde traf er die ahnungslosen Weiber bei einer Quelle an, wo sie stets Rast zu halten pflegten. Der Überbringer der Schreckensnachricht trat auf sie zu und sagte, sie brauchten nicht mehr zu den Knappenlöchern hinaufzusteigen. Der Schacht wäre eingestürzt und hätte Mann und Maus begraben und sie wären jetzt arme Witwen.

Noch heute zeigt man im Telfeser Walde jene Quelle, die den sonderbaren Namen Witwenbrunnen trägt.

Quelle: Fink, Hans, Eisacktaler Sagen, Bräuche und Ausdrücke. Schlern-Schrift Nr. 164, Innsbruck 1957, S. 50 f.